Ulrike Kristin Schmidt

Gesammelte Texte

Donnergrollen auf Papier

Die aktuelle Doppelausstellung im Projektraum Nextex zeigt Arbeiten von Julia Steiner und Gaudenz Signorell. Die Werke beider Künstler korrespondieren auf sinnfällige Art und Weise.

Wann ist eine Zeichnung Malerei? Wann ist Malerei Zeichnung? Kann Fotografie Malerei sein? Julia Steiner und Gaudenz Signorell wandern an den Grenzen ihres Mediums entlang. Beide lassen sich durch Kategorisierungen nicht einschränken – im Gegenteil. Sie loten das jeweilige Medium sowohl in stilistischer als auch in technischer Hinsicht aus. Sie arbeiten rein analog, verlassen sich auf das Potenzial ihres eigentlichen Arbeitsmaterials und Werkzeugs. Ausserdem kommen sie mit Schwarz-Weiss-Kontrasten aus, ganz ohne Farbwerte. Fast ganz.

Gaudenz Signorells Fotografien sind Kompositionen starker Hell-Dunkel-Gegensätze. «Nietzsches Wanderstab» etwa scheint als langgestreckte, lichte Form aus dem Schwarz des Formates heraus. Nur an wenigen Stellen tauchen Ockertöne auf. Ist es die Farbe des Holzes? Ist der Stab überhaupt ein hölzerner? Der Bündner Künstler schuf die Aufnahme im Rahmen einer Intervention im Nietzsche-Haus in Sils Maria. Doch ob der Stab tatsächlich einer ist und Nietzsche ihn, falls ersteres zu bejahen wäre, je in seinen Händen hielt, ist eher unwahrscheinlich. Denn Gaudenz Signorell thematisiert nicht die Identität des abgelichteten Motivs, sondern seine unerschöpflichen visuellen und assoziatorischen Möglichkeiten.

Ein Tuscheblatt Victor Hugos bot ihm Anlass zu der Serie «Plui d’orage». Signorell fotografierte jedoch nicht die Gewitterzeichnung des Franzosen und auch kein reales Unwetter. In seinen Bildern ziehen sich helle Spuren durchs körnige Dunkel, es könnten Blitze sein, aber auch Wasserrinnsale an einer Scheibe. Eisberge schwimmen unter bedrohlichen Wolkengebirgen, oder sind es einfach nur Schmutzablagerungen auf einer Metallplatte?

Signorell findet seine Motive dort, wo Menschen arbeiten. Ihn faszinieren die Spuren in Handwerksbetrieben und Fabrikhallen. Hinzu kommt der Reiz, etwas Kleines gross zu sehen. In der Dunkelkammer, im Auge des Betrachters oder spätestens im Hirn verwandelt sich das Vorgefundene in grossartige Landschaften.

Signorells untrügliches Gespür für die weitreichende Kraft eines vordergründig abstrakten Motivs findet sich auch bei Julia Steiner. Blätter wehen umher, Flammen züngeln, Gräser fliegen, doch nichts davon ist manifest. Auf riesigen Blättern – Steiners Zeichnungen sind oft mehrere Quadratmeter gross – konstruiert die Berner Künstlerin Räume aus formal abstrakten Elementen. Aus Linienkombinationen ergeben sich Falten. Auslassungen werden zu Lichtflecken. Tupfen verwirbeln sich, Farbwolken suggerieren Rauchschwaden.

Alles ist in Bewegung, verschiebt sich und verändert sich und wird doch von der unsichtbaren Gravitation gehalten. Der Grund verwandelt sich in Himmel oder kehrt sich in eine Wasserfläche um. Trotz dieser Dynamik und der Detaildichte sieht man den Blättern an, dass sie das Ergebnis eines hochkonzentrierten Arbeitsprozesses sind. Ihnen wohnt eine räumliche Ordnung inne, die nicht nur der Erfahrung der Künstlerin mit ihrem Medium geschuldet ist, sondern ebenso ihrem Blick für das Gefüge des grossen Ganzen.

Und der dritte Grund liegt in der Reduktion der formalen und der technischen Mittel: Steiner arbeitet ausschliesslich mit schwarzer Gouachefarbe auf glattem, weissem Papier. Die Farbe wird nicht mit Wasser verdünnt und behält dadurch ihre Pigmentdichte. So sind Abstufungen von hellem, zerfaserndem Grau bis zu tiefstem Schwarz möglich – und vielfältige, tiefgründige Bildlandschaften. Steiner und Signorell – die junge Künstlerin und der zweiunddreissig Jahre ältere Künstler – haben zuvor noch nie gemeinsam ausgestellt, höchste Zeit also für diese gelungene Doppelpräsentation im Nextex.

Es ist was es ist

Im Palais Bleu ist die siebente Le-Lieu-Ausstellung zu sehen. Unter dem Titel „Get up and run away with it“ versammelt Kuratorin Nadine Wietlisbach Arbeiten von fünf Künstlerinnen und einem Künstler zum Thema Liebe.

Grün ist die Kunst. Blau ist der Schlaf. Gelb ist die Freizeit. Rot sind die Kinder. Auf zwei Grossformaten entwirft Seline Baumgartner ihre Lebensübersicht in zwei Varianten. Bis zur roten Linie mit 26 Jahren verläuft auf beiden Blättern alles gleich, dann ein kurzer roter Balken: ein Kind. Dann der Schnitt. Was genau ist passiert? Der Betrachter erfährt es nicht. Er sieht nur die beiden Möglichkeiten eines Lebens mit oder ohne Kindern, eines Leben mit der Kunst.

Die Kunst und die Liebe sind die Klammern der aktuellen Le Lieu-Ausstellung im Trogener Palais Bleu. Bereits zum siebenten Mal wurde eine Gastkuratorin eingeladen, die Atmosphäre des ehemaligen Krankenhauses zu erspüren und kuratorisch darauf zu reagieren. Zum ersten Mal ist daraus eine Gruppenausstellung entstanden. Fünf Künstlerinnen und einen Künstler hat die Luzernerin Nadine Wietlisbach ausgewählt um der Liebe auf die Spur zu kommen.

Die Liebe – das ist ein schillernder Begriff. Laut Weltgesundheitsorganisation ist sie ein zwei bis drei Jahre dauernder Rauschzustand, sie kann ein Kommunikationsmedium sein und wird als kulturelles Phänomen verstanden. Wietlisbach hat sich durch die vielfältigen Theorien zu diesem komplexen Gefühl gearbeitet und thematisiert das Grundlegende: Sie begreift Liebe als Ereignis des alltäglichen Lebens und nimmt gerade die kleinen und doch so bedeutungsvollen Gesten dieses Lebens wahr und ernst. Selbst eine Arbeit, die so humorvoll daherkommt wie jene von Taus Makhacheva, stimmt nachdenklich . Für ihr Video besuchte die Künstlerin in ihrer Heimatstadt Makhachkala im südlichen Kaukasien neu errichtete Hochzeitsfestsäle mit ihrer absurd übersteigerten Innenarchitektur. Sie lässt ein abstrahiertes Brautpaar über Mosaikböden, an Spiegeln, bonbonfarbenen Säulen, gedeckten Tischen vorbeitanzen und findet ein eindrückliches Bild für die Divergenz zwischen den Hoffnungen junger Paare und der grossen Hypothek auf das eigene Glück.

Alle Arbeiten zeichnet ihr feinsinniger und zurückhaltender Bezug zum Thema aus. Wenn etwa Michelle Kohler eine Fensterwand im Treppenhaus in eine Häuschenfassade verwandelt, dann verbirgt sich hier die Liebe oder vielmehr ihr Wunschtraum im Abbild einer konstruierten Idylle. Auch in Nicole Michels Werken ist die Liebe eher Andeutung als Ausbruch. Dies gilt sowohl für ihre Bildzitate aus der Medienwelt als auch für die kleinen verschnürten Objekte im Geschirrschrank des Palais Bleu. Letztere gleichen den kleinen privaten Kostbarkeiten, sorgfältig gehütet als Zeugnisse  tief empfundener Zuneigung. Wie eine solche auszudrücken wäre, fragt Bettina Disler: „If love ist he answer could you please rephrase the question.“ heisst ihre stille Videoarbeit mit verliebten Paaren.

Francisco Sierra schliesslich überrascht mit ebenso minimalistischen wie vielsagenden Zeichnungen. Ein Quader, ein Spalt, vier Arme – eine Umarmung kann inniger kaum sein.

Eine Edition ergänzt die Ausstellung mit sorgfältig ausgewählten Texten und den Bildern ineinander verschlungener Paare der Londonerin Ute Klein.

Mal verklärt, mal plakativ

In der aktuellen und ersten Ausstellung im neugegründeten „tartar“ wird Kunst aus den Zeiten vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhanges gezeigt.

Die Kuh als ästhetisch bedenkliches Ding: Immer wieder tauchen sie und ihre Polyesterschwestern, ihre Verwandten in Bären-, Löwen- oder Pferdeform als Innenstadtmöblierung auf. Der Anspruch dieser Tierparaden als Kunst im öffentlichen Raum befremdet. Auch dann, wenn eines dieser quietschbunten Exemplare den Eingangsbereich eines Ausstellungsraumes ziert.

Martin Jedlitschka jedoch hat keine Berührungsängste. Weder gegenüber Kunststoffkühen, noch gegenüber Revolutionskitsch. In der ersten Ausstellung im neueröffneten Kunstraum tartar in St. Gallen will der Zürcher Kunsthändler unter dem Titel „Von Stalin bis Medwedew. Impressionen Russischer Kunst“ nichts weniger als eine Zeitreise von den fünfziger Jahren bis heute unternehmen. Den Beginn machen Werke des sozialistischen Realismus wie ein Porträt Lenins am Schreibtisch, eine historisch nicht ganz korrekte Darstellung des zweiten Parteitages 1907 in London oder eine idealisierte Szene auf usbekischen Baumwollfeldern.

Ganz gleich, ob ein singender Partisan oder ein Diktator verklärt wird oder ob Studierende aus allen Sowjetteilen fröhlich vereint in Tracht marschieren – diese Bilder sind nicht als Kunstwerke, sondern als Zeugen einer Epoche interessant. Jedlitschka nennt sie zu Recht Zeitdokumente und stellt ihnen Werke gegenüber die nach dem Ende ebendieser Epoche entstanden sind. Wenn er dafür den Begriff der russischen Moderne oder Avantgarde gebraucht ist dies allerdings etwas irreführend, da dieser eigentlich vergeben ist für die neuen künstlerischen Strömungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Etwas davon klingt auch in der Ausstellung im tartar nach: Die Bilder von Alexey Novikov erinnern sehr an die späten figurativen Werke Malewitschs, die freilich auch schon nicht mehr der Avantgarde zuzurechnen sind. Vereinfachte geometrische Formen werden zu Figuren zusammengesetzt. Wie Malewitsch bevorzugt Novikov bäuerliche Motive. Wurden Malewitschs Bilder als Vorahnung der Zerstörung der bäuerlichen Welt interpretiert, so hat sich diese in Novikovs Werken vollzogen: Ohne Bodenhaftung fliegen die Gestalten durch den (dörflichen) Raum. Novikovs Sohn Igor dagegen schlägt ganz andere Töne an. Er malt sozusagen tagesaktuell. In seinen früheren Werken, die vor dem Fall des Eisernen Vorhangs entstanden, thematisiert er die Isolation des Individuums, seine Verlorenheit dunklen Zeiten. Inzwischen wohnt er in der Schweiz und befasst sich malerisch mit Minarettabstimmung, Burkaverbot oder der Schieflage der Grossbanken. Waren in den früheren Bildern die stilistischen Anklänge an de Chirico, Magritte oder Miró eher Mittel zum Zweck, so sind Kunstzitate in seinen aktuellen Bildern zentraler Teil der Bildaussage, wie jener hodlersche Holzfäller am Minarettsymbol. Etwas weniger plakativ geht es beispielsweise bei Podlipsky zu, der mit meteorologischen Karten die politische Tauwetterlage visualisiert oder in Dimitrovs Überarbeitungen von Zeitungsseiten mit Gagarin- oder Stalinbildnissen.

Wieder ganz im Hier und Heute arbeitet Marco Pallanda, der etwa einen Verdacht wörtlich nimmt und Medwedew als Marionette Putins zeigt.

Das Spektrum der Ausstellung ist sowohl stilistisch als auch inhaltlich denkbar breit – der Auftakt im tartar ist mit grosser Kelle angerichtet.

Glasur als Malerei

Christian Röllin zeigt in seiner Galerie Werke des Amsterdamers Marien Schouten. Seit Jahren widmet sich der Künstler keramischen und malerischen Arbeiten.

Keramik – da denkt der eine an den Zahntechniker, die andere an die Plättli im Badzimmer und der dritte an den Töpfermarkt. Die Bildende Kunst folgt erst einige Plätze weiter hinten in der Assoziationskette. Die magische Grenze zwischen angewandter und bildender Kunst mag so manchen Künstler davon abgehalten haben, sich mit dem Material Ton und seinen Möglichkeiten zu befassen. Andere reizte und reizt gerade das: Peter Fischli und David Weiss etwa, Lucio Fontana oder Thomas Schütte. Und Marien Schouten.

Der Amsterdamer Künstler arbeitet seit 10 Jahren mit Ton. Die Vorwürfe, Keramik sei Kunsthandwerk, beeindrucken ihn nicht. Ganz im Gegenteil, sie geben ihm den Freiraum, unbehelligt die plastischen Qualitäten des Materials ausloten und seine Nähe zur Malerei untersuchen zu können.

Seit langem beschäftigt Schouten die Frage, wie sich die Malerei im Raum verhält und wie die Umgebung auf die Malerei wirkt. Der Künstler konstruierte aus  architektonischen Elementen, Gittern und strukturiertem Glas Reaktionsräume für seine Gemälde. Einen Höhepunkt stellt zweifellos „Green Room/Snake“ aus dem Jahre 2004 dar mit seinen Wänden aus vollständig aus grossformatigen grün glasierten Tonziegeln – die Malerei umfängt den Betrachter von allen Seiten. Diese Installation gibt es in der Galerie Röllin zwar nicht zu sehen, dennoch vermittelt die Ausstellung einen anschaulichen Eindruck der aktuellen Arbeiten Schoutens.

Vor einigen Jahren hat der Künstler eine Form als Basis für seine keramischen Werke entwickelt. Sie wirkt wie ein Wesen mit Kopf, Augen, Kiemen, Schnauze oder Schnabel – doch was es genau ist, darauf kommt es letztlich nicht an. Schouten hat mit dieser Gestalt einen Typus kreiert, der eine Arbeitsbasis darstellt. Befreit vom Anspruch die Form immer wieder erfinden zu müssen, lässt sich an der Gestalt immer weiter arbeiten, sich ans Ideal herantasten. Auch wenn sie siebenfach in der Galerie zu sehen ist, ist sie niemals dieselbe. Grösse und Form variieren ebenso wie die Farbe.

Schouten experimentiert mit unterschiedlichsten Glasuren und erzielt überzeugende Resultate. Die grüne, braune oder weisse Farbe fliesst, bildet Seen oder Kristalle aus und vielfältige Mikrostrukturen. Die Oberflächen wirken lebendig, irisierend und transparent, Malerei pur. Sie findet ihre Entsprechung in den ausgestellten Papierarbeiten. Auch hier gibt es Farbverläufe, Zonen mit dichter und solche mit durchscheinender Farbe. Selbst die kristallinen Strukturen wiederholen sich hier, Schouten erreicht dies mit Klebstoffpulver. Er lässt das Material für sich arbeiten. Dies gilt auch für das Papier, dass sich unter der nassen grünen Farbe wölbt, sie aufsaugt und wieder neue Verläufe ermöglicht. Immer wieder bleibt auch das Weiss der Blätter stehen und gibt den Blick frei auf ein Bleistiftraster, dass unter dem Grün liegt. Diese Linien sind das sichtbarste Zeichen für einen Kontrast, der Schouten immer wieder fasziniert, jenen zwischen der formlosen Materie und der Struktur. Er existiert auch in den Keramiken: Auf der einen Seite ist die dreidimensionale Gestalt mit ihren bewusst gesetzten Rippen, Bögen, Löchern, Rundungen und auf der anderen Seite werden diese überlagert von der Glasur mit ihren zufallsbedingten Details.

Immer wieder, wenn Schouten über seine Arbeit spricht, kommt ihm die Musik in den Sinn, der Rhythmus, die Melodie und die Tatsache, dass sich ein Instrument nicht zwingen lässt, genauso wenig wie die Farbe. Schouten lässt sich auf sie ein, reagiert auf sie und kann so ihre ganze Vielfalt zeigen.

Eine Akustik wie in der Scala

Die Oper kehrt zurück in die Lokremise. Kammer-, Kinder- und Kurzopern zeigen: Musiktheater im Depot funktioniert.

Die Lokremise 1992: Nicht mehr in Betrieb – aber trotzdem noch ein Depot. Nicht mehr Arbeitsplatz der Lokführer und Depotaufseher – trotzdem noch durchdrungen von Karrenschmiere und Maschinenöl. Nicht mehr Lokwerkstatt – und schon Kulturbühne als Aufführungsort des dramatischen Oratoriums „Jeanne d’Arc au bûcher“ von Arthur Honegger.

Der Verein Open Opera sucht seit seiner Gründung 1989 immer neue Spielorte jenseits der traditionellen Kulturinstitutionen. Sehr früh und wahrscheinlich als erste waren die Musiktheaterfreunde mit der Honegger-Inszenierung auf das grosse Potential der Lokremise gestossen.

Auch in der Rückschau, nach der Aufführung verschiedener Werke in Sport-, Industrie-, Einstell- und Messehallen, bleibt sie als einer der attraktivsten Open-Opera-Spielorte in Erinnerung. Kein Wunder also, dass der Verein jetzt gern hierher zurückkehrt. Mit einem besonderen Projekt, das am 18. August Premiere und Uraufführung feiern wird: Anlässlich des 20jährigen Vereinsjubiläums wurden bei vier Komponisten vier Kurzopern mit je fünf definierten Akteuren in Auftrag gegeben. Es gab für „Rüdisüli in der Oper – Etwas Fabelhaftes“ also konkrete Vorgaben, aber dennoch ebenso viele Variablen. Genau wie bei der Lokremise selbst. Die Säulen stehen unverrückbar fest, aber Zuschauer, Orchester, Chor und Solisten können flexibel platziert werden. Nicht einmal der fehlende Orchestergraben ist ein Manko, im Gegenteil: So kommt erst gar keine Distanz zum Publikum auf.

So sieht es auch Peter Heilker, Operndirektor des Theater St. Gallen:„Die Musiker sind zum Greifen nah, Theater bekommt Anfass-Charakter.“ Das Ensemble des Theater St. Gallen präsentierte in der Vergangenheit bereits einige Musiktheaterstücke in der Lokremise. Die Gegebenheiten des Ortes wurden dabei jeweils kreativ interpretiert. So kam die hier uraufgeführte Kammeroper «Night.Shift» des irisch-schweizerischen Komponisten John Wolf Brennan auf einem schlangenförmigen Catwalk daher, mit Chor und Musikern in den Buchten und dem Publikum im Rücken.

Bei allen Aufführungen ist die Lokremise und ihre besondere Atmosphäre immer auch selbst Teil der Inszenierung. Die nackte Wand, der Boden, die ausgestellte Technik stehen unsichtbar auf der Besetzungsliste. Das birgt besondere Reize, wenn Klassisches zur Aufführung kommt, wie etwa in der kommenden Saison das Musiktheaterstück „Das Herz bebt im Stillen“. Der szenische Abend ist aus Franz Schuberts Chorwerk heraus entwickelt und wird einmal mehr experimentell mit dem Ort umgehen.

Die Spezifik des Raumes ist die eine Lok-Besonderheit, seine Akustik die andere. Im Typotron-Heft über die Lokremise bekennt einer der ehemaligen Lokführer: „Wenn ich jeweils eine Maschine im Depot holte oder versorgte, sang ich immer… Unser Depot kam mir mit seiner herrlichen Akustik vor wie die Mailänder Scala…“ Auch Heilker schwärmt, der Klang sei weder zu trocken, noch zu hallig, die Sänger kämen perfekt durch. Das gilt selbst für Kinderstimmen; und so war Benjamin Brittens „Kleiner Schornsteinfeger“ auch sicherlich nicht die letzte Kinderoper in der Lokremise. Und vielleicht öffnen die Kurz-, Kammer- und Kinderopern ja bald einmal die Tür für die grosse Oper.

LOK Zeitung No. 2 (Juni, Juli, August 2011)

Forgotten oder Unvergessen

Das Leipziger Künstlertrio FAMED stellen als erste Artists in Residence in der Lokremise aus. Unter dem Titel „Vor den Dingen, nach dem Affekt“ zeigen sie ihre aktuellen Arbeiten.

John Armleder hat die Lokremise eingeleuchtet, Norbert Möslang hat das weltweite Netz hereingeholt, FAMED richten sie wohnlich ein. Fast. Vom Büchergestell über die Topfpflanze bis zur Zimmertür ist alles vorhanden und doch alles etwas anders als gewohnt. Zum Beispiel das Büchergestell: Zwar ist es das meistverkaufte seiner Art, doch hier taugt es kaum zur Präsentation der Hausbibliothek. Eine Handbreit über dem Boden schwebend ist es vom Gebrauchsgegenstand zum Objekt mutiert, das einer genaueren Untersuchung harrt. So offenbart es teilweise sein Innenleben, das Pressspanmaterial. Zudem wurde das Standardmass skaliert, so als müsse sich das für übliche Wohnraumhöhen konzipierte Gestell etwas strecken, um ein der Lokremise würdiges Mass anzunehmen.

Wenn FAMED am Werk sind, geht es jedoch um mehr als den Blick auf Material und Dimension. Das Leipziger Künstlertrio spielt mit vielfältigen Bezugssystemen. Eines davon ist die Kunst selbst. Unschwer ist Sebastian M. Kretzschmars, Kilian Schellbachs und Jan Thomanecks Affinität zur Minimal Art zu übersehen. Dies gilt sowohl für Form und Struktur des hochgehängten Gestells wie auch für jene Lampe, deren Kabel einmal vom Boden bis zur Decke und wieder zurück reicht. Immer wieder sind es diese beiläufigen Transformationen des Alltäglichen, die des Betrachters Aufmerksamkeit fesseln: Wohin führt jene Tür hoch oben, doch unerreichbar ohne Treppe? Wie kommt das Buch in die Wand? Ein schmales Bändchen ist es nur, doch wie eine Ikone prangt Guy Debords „Gesellschaft des Spektakels“ inmitten der schwarzen Wand. Die radikale Kapitalismus- und Konsumkritik ist selbst zum Bild geworden.

FAMED brauchen wenig, um viel auszudrücken: Der weit über Kopfhöhe verkehrtherum aufgehängte Diaprojektor mit den herausgefallenen Lichtbildern „Entarteter Kunst“ bringt subtil auf den Punkt, was anderswo ganze Ausstellungen nicht schlüssig zu vermitteln vermochten. Kretzschmar, Schellbach und Thomaneck öffnen mit kleinen Gesten grosse Bedeutungsräume und sind dabei noch wunderbar poetisch – ob mit wehender Zimmerpalme, mit dem heimwehgeplagten Autostopper, der plötzlich in einem schwarzen Bild auftaucht, oder selbst mit den grossen Lettern vor der Lokremise. „Unsaid. Unseen. Forgotten.“ verkünden sie. Resignation? Nein. Irritation? Gern. Zumal der gemeinsame Künstlername das Gegenteil verspricht und auch die Lokremise das Gegenteil des Vergessenseins erlebt.

LOK Zeitung No. 2 (Juni, Juli, August 2011)

St. Gallen: Zu Hause auf der Strasse

Ist Kunst von Obdachlosen anders zu bewerten als das Werk eines Künstlers mit Atelier und Wohnsitz? Falls ja, warum? Wie wirkt sich die Arbeitsumgebung, die soziale Aussenseiterposition auf die Inhalte aus und auf formale Aspekte?

Diese Fragen stellen sich im Museum im Lagerhaus in St. Gallen auch deshalb, weil Naive Kunst und Art Brut den Schwerpunkt des Museumsprogramms bildet und sich somit bereits Kategorisierungen aufdrängen. Gleichzeitig zeigt sich, wie wenig sich das Ausgestellte in irgendwelche Schubladen einordnen lässt. Das Spektrum reicht von traditionellen Tafelbildern über Zeichnungen auf Blankobierdeckeln bis hin zu Experimenten mit den neuen Medien, wie etwa Bobby Moors Arbeiten mit der Handykamera. Zu sehen sind genaue Beobachtungen des städtischen Lebens wie auch differenzierte Blicke ins eigene oder fremde Ich. Nina Wilds Aufnahmen der Notschlafsstellen beispielweise bestechen durch ihre dokumentarische und dennoch intime Sicht auf Habseligkeiten und Umgebung.

Im Zentrum der Präsentation steht Beate Stanislau, eine ehemalige DDR-Künstlerin. Nur ein Bruchteil ihrer Bilder und Schriften sind ausgestellt. Der grosse Rest harrt einer weiteren Aufarbeitung, sorgfältig verpackt in Kartonschachteln, die als Zeugnis eines kompromisslosen Lebens ebenfalls ausgestellt sind.

Bis 10.07.2011

Weiss, ja weiss ist alles

Der Verein Kulturfrühling Rorschach lädt zum dritten „Rendezvous Ostschweizer Kunstschaffender“. Diesmal sind im Kornhaus eigens entwickelte Werke von Bruno Steiger und Jürg Rohr zu sehen.

Rorschach war schweizweit einer der wichtigsten Umschlagplätze für Getreide und das zu diesem Zwecke erbaute Kornhaus bestens ausgestattet. Heute erinnert wenig an diesem Bau an jene grossen Zeiten im 18. Jahrhundert. Nicht einmal mehr die architektonischen Details selbst fallen mehr ins Auge – es sei denn man betritt die aktuelle Ausstellung aus der Serie rendezvous im Erdgeschoss des Kornhauses.

In der Mitte des Raumes erhebt sich eine komplexe geometrische Form, zusammengesetzt aus unzähligen gefalteten Papierstreifen. Sie sitzt nur in wenigen Punkten auf dem Boden auf, breitet sich in den Raum hinaus aus, verjüngt sich, streckt sich zum Deckengewölbe und findet hier ihre Entsprechung in der Laibung, den Lisenen und Graten des Barockbauwerkes.

Jürg Rohr versteht seine Skulptur als Fragment, als einer der vielen Zwischenzustände auf dem Weg zur Kugel. Ursprünglich untersuchte der Teufener verschiedene Konstruktionsideen , die ihn zur endgültigen Form führen könnten. Er experimentierte, bastelte und baute und erfand sein eigenes Modulsystem. Er probierte aus, welches der beste Winkel ist und wie stabil die Streifen zueinander gefügt sein müssen, dass sie tragen. Bald realisierte Rohr, dass der Prozess ihn mehr interessierte als ein mögliches Endergebnis. Und so ist das ausgestellte Werk zwar nicht vollendet, aber zumindest doch abgeschlossen.

Die Frage nach dem grossen Ganzen tritt in den Hintergrund, weit spannender sind die Details der Skulptur und ihre Wechselwirkung mit dem Raum. Es sind die Schattenspiele der gefalteten Kartonbahnen, die Transparenz, die Gitterstruktur, die ins Auge fallen. Dann wandert der Blick von der Arbeit weg, hin zu den Fenstergittern und Fensterkreuzen. Plötzlich sind sie zum ersten Mal wirklich präsent. Genauso die unverspachtelten Fugen in den provisorischen Wänden, welche die ehemals offene Halle im Erdgeschoss unterteilen und sonst kaum wahrgenommen werden.

Diese Wände wie auch die Gesamtstimmung des hellen Raumes sind auch in den Werken Bruno Steigers Thema. Der St. Galler Künstler hat von seinem Atelieraufenthalt in Kairo die Idee mitgebracht, Formen zu visualisieren, deren Konturen Zufallsprodukte und nur schwer fassbar sind. Damals malte er mit Öl auf A4-Blättern und zeichnete auf der Rückseite die entstandenen Formen und Figuren nach. Im Kornhaus hat er weissen Muschelkalk an die eine und flüssige, weisse Leimfarbe an eine andere weisse Wand geworfen und mit Graphitstift umzeichnet.

Alles ist weiss und doch nicht weiss. Nuancen werden sichtbar, Schattierungen, Reflexe, die Licht- und Schattenflächen im Gewölbe und an der Bretterwand im Hintergrund des Raums, der fast weisse Himmel über dem Bodensee, das helle Grau der Wasseroberfläche. Wie Wasserflecken muten auch die mit den zarten Graphitlinien umrissenen Kalk- und Farbkleckse an, oder wie Kontinente, oder wie Vegetation. Steiger bietet den Betrachtern seiner Arbeit eine breite Projektionsfläche an. Die eigenen Seherfahrungen werden jeden auf eine andere Fährte führen, der er oder sie sich laut Ausstellungstitel gern hingeben darf, denn „Gedanken führen zu nichts, das ist das Schöne an Ihnen.“ Oder?

Bruno Steiger und Jürg Rohr haben die Gedanken und die Situation vor Ort zu einer stillen, klaren Präsentation angeregt. Sie haben das Kornhaus und seine Umgebung genauestens in Augenschein genommen und als Ausgangspunkt der eigenen Arbeit genutzt. Und so wird das imposante Bauwerk in der dritten Ausstellung in der rendezvous-Reihe zum direkten Mitspieler.

Irritationen im Paradies

Die aktuelle Doppelausstellung im Nextex entführt in  tropische und utopische Welten. Blue Curry und Monica Ursina Jäger zeigen ihren Blick auf heutige Lebenswelten.

Die üppige Vegetation rauscht im Wind, ein riesiger Palmwedel beschirmt das Haupt, eine leibhaftige Kokosnuss ist zum Greifen nahe. Ist hier die Südsee? Oder ihre Imitation in einer grossstadtnahen Erlebniswelt? Weder noch: Mit solch exotischen Zutaten wartet die aktuelle Ausstellung im Nextex auf. Werden sie jedoch von Blue Curry verwendet und zusammengestellt, so entsteht daraus nicht etwa ein Abbild des tropischen Arkadien, sondern eher das Gegenteil.

Der Londoner Künstler mit karibischen Wurzeln untergräbt die Fantasien von der ursprünglichen, unberührten, von der glückverheissenden Ferne. Was er dafür braucht, liefert ihm das Paradies selbst, wie etwa jenen überdimensionalen Palmwedel. Sogar der Staub darauf ist echt. Aber ist es der Zweig ebenfalls? Er ist echt, und doch auch wieder nicht. Seine steifen, immergrünen Blätter stammen von einem als Palme getarnten Telefonmast. Den Schlüssel dazu liefert das Video von der „Entdeckung des Palmtelefonmastes“. Die Kamerafahrt durchs dichte Grün lässt bald erahnen, dass mit einem der Baumriesen etwas nicht stimmt. Ganz anders als die Schornsteine, die im 19. Jahrhundert in Pseudominarette verwandelt wurden, will der Mast nicht auffallen und tut es doch. Starr steht er da, unbelebt, fremd und doch ganz selbstverständlich dazugehörend – schliesslich ist auch in der Karibik das Mobiltelefon aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Blue Curry filtert Irritationen aus dem unermesslichen Bilderangebot seiner Heimat oder konstruiert sie selbst. Zum Beispiel aus Windlichtern, farblich passenden Reinigungsschwämmen, einer Schlangenhaut und zwei Bügelbrettern. Die Zusammensetzung erinnert an jene berühmt gewordene Stelle aus Lautréamonts „Gesängen des Maldoror“, die „das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch“ schildert. Doch während die Surrealisten darin den Ausgangspunkt für ihre Traumwelten jenseits der Realität sahen, hinterfragt Blue Curry die realitätsfernen Vorstellungen von vermeintlich existierenden Traumwelten. Genau an dieser Stelle treffen sich seine Werke mit jenen Monica Ursina Jägers. So arbeitet die in London und Zürich lebende Künstlerin beispielsweise mit schwarzen Kunststoffdornen, hergestellt um Einbrecher von privaten Paradiesen fernzuhalten. Die Dornen sind auf einer kreisrunden Fläche kopfüber angeordnet und illuminiert. Die Künstlerin führt die Bedrohlichkeit ad absurdum, ohne über der Ästhetik das aggressive Potential aus den Augen zu verlieren. Wirkungsvoll, aber niemals plakativ spielt sie beides gegeneinander aus. Solche Konfrontationen sind ein Schwerpunkt ihrer Skulpturen und Tuschezeichnungen mit Pigmenttransfer.

Auf grossformatigen Blättern kombiniert Jäger Versatzstücke aus Architektur und Natur. Leider ist in der Ausstellung nur Platz für zwei dieser Papierarbeiten. Auf einer setzt sie einen Handlauf und Stufen in eine düstere Grotte. Wer baute ihn? Zu welchem Zweck? Für wen? Fragen, die sich leicht modifiziert auch anhand des zweiten Blattes stellen. Hier treffen engagierte Sozialwohnungsprojekte und gesichtslose Hochhäuser, Baumriesen und biomorphe Strukturen aufeinander. Die Perspektiven wechseln, Treppen führen ins Nichts, Fragmente stossen an die grosse weisse Leere. Menschen tauchen nicht auf. Die Künstlerin lässt offen, wie die stadtplanerischen Einfälle bei jenen ankommen, für die sie gedacht sind. Und so liegt es am Betrachter, die utopischen urbanen Landschaften weiterzudenken, sie in Bezug zu setzen zu Bekanntem und eigene Standpunkte zu Stadt- und Lebensvisionen beziehen.

Geistreich und Unbefangen

In der Grabenhalle zeigt die 3 x 1 Tanzkompanie die aktuelle Abschlussproduktion des Contemporary Dance Study Program. Von Jazz bis Elektronik, von Beethoven bis Balkan Beats reicht das musikalische Spektrum an diesem Abend.

Ein Tanzabend, wie er abwechslungsreicher kaum sein könnte: „mannschaft“, die aktuelle Produktion der 3 x 1 Tanzkompanie, ist mehr als die Summe einzelner Szenen. Unterschiedlichste Choreographien von fünf Choreographen sind unter der konzeptuellen Leitung der New Yorkerin Leda Meredith zu einem stimmigen Gesamtwerk verwoben.

Musik und Kostüme könnten heterogener kaum sein, doch alles fügt sich mühelos zueinander. Dass dies funktioniert, ist insbesondere der Präsenz der sieben Tänzerinnen zu verdanken. Marula Eugster, Karin Hollenstein, Carina Huber, Selina Minder, Aurelia Steinemann, Maria Walser und Fabienne Zubler bringen nicht nur ihr tänzerisches Können, sondern ihre Ausstrahlung und ihr ganzes Wesen ein. Hier wird mit Leib und Seele getanzt – ganz gleich, ob Absolventin des Contemporary Dance Study Program der Danceloft oder Studentin im ersten Jahr an der Rorschacher Ausbildungsstätte.

Das Anfangsstück des Abends feiert unbefangen die Freude an der Bewegung. Statt Bilder oder Inhalte zu vermitteln, sind die Tänzerinnen in Tops und Minis ganz im hier und jetzt. Sie tanzen in vielfältigen Kombinationen, Gruppen und Paaren, synchron, in Kreisformationen oder einzeln, machen neugierig auf alles, was noch kommen mag.

Nahtlos geht es weiter, nur die Geschlechter wechseln mit Hilfe von Schiebermützen und Knickerbockern. Zu Klängen von Paolo Conte werden die guten alten Zeiten heraufbeschworen, Petticoatkleidchen inbegriffen. Dies alles geschieht mit einem Augenzwinkern – die Tänzerinnen geben die Gassenjungen ebenso leichtfüssig wie spitzbübisch. Dafür dürfen sie im nächsten Stück umso weiblicher sein. Zunächst werden ganz in schwarz ernstere Töne angeschlagen, die sich im Tanz um und in vielfarbigen Kleidern wieder auflösen. Es folgt eine Tanzsequenz wie ein Sommertag, mit wehenden Röcken zur Musette. Hier wie auch in allen anderen Stücken können die jungen Frauen in einzelnen Sequenzen immer wieder zeigen, dass sie bereits als Solistinnen auf der Bühne bestehen können.

In besonderer Erinnerung wird vielen der Besucher in der vollbesetzten Grabenhalle wohl die aussergewöhnliche Choreographie zu Beethovens Septett in Es-Dur bleiben, hier in einer Trioeinspielung. Rund um ein rotes Sofa – es ist das einzige Requisit des Abends – wird rumort, geruht, gerastet, werden Arbeitsabläufe und Teamsituationen simuliert. Drei Tänzerinnen in Werkarbeiterlatzhosen agieren miteinander, nebeneinander oder gegeneinander in spannend inszenierten Bewegungsabläufen, die im Hechtsprung über das Sofa kumulieren. Und selbst das Versorgen des Sofas wird noch kreativ in einen Tanzakt verwandelt. Einmal mehr zeigt sich, dass zeitgenössischer Tanz durchaus witzig, geistreich und unbefangen daherkommen kann. Das gilt auch für das letzte Stück des Abends. In hohem Tempo und Alltagskleidung laufen die Tänzerinnen zu Höchstform auf. Der Spass an den Zitaten aus populären Tanzformen, dem Partydance oder Alltagsgesten, an den schnellen Rhythmen und Bewegungen ist den sieben ins Gesicht geschrieben. Mühelos reissen sie das Publikum mit, so mancher Fuss begleitet wippend die Balkan Beats.

Die Choreographinnen und Choreographen Julia Feldhammer aus St. Gallen, Anne Sophie Fenner aus Zürich, Richard Havey aus Las Vegas sowie Pascal Rekoert und John Brooks aus New York haben gemeinsam mit Leda Meredith und den Tänzerinnen Stücke entwickelt, die es den Tänzerinnen erlauben, sie selbst zu sein. Statt Perfektion zählt hier die lebendige Atmosphäre, die Begeisterung für den zeitgenössischen Tanz.