Es ist was es ist
by Kristin Schmidt
Im Palais Bleu ist die siebente Le-Lieu-Ausstellung zu sehen. Unter dem Titel „Get up and run away with it“ versammelt Kuratorin Nadine Wietlisbach Arbeiten von fünf Künstlerinnen und einem Künstler zum Thema Liebe.
Grün ist die Kunst. Blau ist der Schlaf. Gelb ist die Freizeit. Rot sind die Kinder. Auf zwei Grossformaten entwirft Seline Baumgartner ihre Lebensübersicht in zwei Varianten. Bis zur roten Linie mit 26 Jahren verläuft auf beiden Blättern alles gleich, dann ein kurzer roter Balken: ein Kind. Dann der Schnitt. Was genau ist passiert? Der Betrachter erfährt es nicht. Er sieht nur die beiden Möglichkeiten eines Lebens mit oder ohne Kindern, eines Leben mit der Kunst.
Die Kunst und die Liebe sind die Klammern der aktuellen Le Lieu-Ausstellung im Trogener Palais Bleu. Bereits zum siebenten Mal wurde eine Gastkuratorin eingeladen, die Atmosphäre des ehemaligen Krankenhauses zu erspüren und kuratorisch darauf zu reagieren. Zum ersten Mal ist daraus eine Gruppenausstellung entstanden. Fünf Künstlerinnen und einen Künstler hat die Luzernerin Nadine Wietlisbach ausgewählt um der Liebe auf die Spur zu kommen.
Die Liebe – das ist ein schillernder Begriff. Laut Weltgesundheitsorganisation ist sie ein zwei bis drei Jahre dauernder Rauschzustand, sie kann ein Kommunikationsmedium sein und wird als kulturelles Phänomen verstanden. Wietlisbach hat sich durch die vielfältigen Theorien zu diesem komplexen Gefühl gearbeitet und thematisiert das Grundlegende: Sie begreift Liebe als Ereignis des alltäglichen Lebens und nimmt gerade die kleinen und doch so bedeutungsvollen Gesten dieses Lebens wahr und ernst. Selbst eine Arbeit, die so humorvoll daherkommt wie jene von Taus Makhacheva, stimmt nachdenklich . Für ihr Video besuchte die Künstlerin in ihrer Heimatstadt Makhachkala im südlichen Kaukasien neu errichtete Hochzeitsfestsäle mit ihrer absurd übersteigerten Innenarchitektur. Sie lässt ein abstrahiertes Brautpaar über Mosaikböden, an Spiegeln, bonbonfarbenen Säulen, gedeckten Tischen vorbeitanzen und findet ein eindrückliches Bild für die Divergenz zwischen den Hoffnungen junger Paare und der grossen Hypothek auf das eigene Glück.
Alle Arbeiten zeichnet ihr feinsinniger und zurückhaltender Bezug zum Thema aus. Wenn etwa Michelle Kohler eine Fensterwand im Treppenhaus in eine Häuschenfassade verwandelt, dann verbirgt sich hier die Liebe oder vielmehr ihr Wunschtraum im Abbild einer konstruierten Idylle. Auch in Nicole Michels Werken ist die Liebe eher Andeutung als Ausbruch. Dies gilt sowohl für ihre Bildzitate aus der Medienwelt als auch für die kleinen verschnürten Objekte im Geschirrschrank des Palais Bleu. Letztere gleichen den kleinen privaten Kostbarkeiten, sorgfältig gehütet als Zeugnisse tief empfundener Zuneigung. Wie eine solche auszudrücken wäre, fragt Bettina Disler: „If love ist he answer could you please rephrase the question.“ heisst ihre stille Videoarbeit mit verliebten Paaren.
Francisco Sierra schliesslich überrascht mit ebenso minimalistischen wie vielsagenden Zeichnungen. Ein Quader, ein Spalt, vier Arme – eine Umarmung kann inniger kaum sein.
Eine Edition ergänzt die Ausstellung mit sorgfältig ausgewählten Texten und den Bildern ineinander verschlungener Paare der Londonerin Ute Klein.