Ziegelei, Abenteuerspielplatz, Quartiertreffpunkt – die Kunsthalle Ziegelhütte war schon vieles. Vor zwei Jahren wurde aus ihr die Kunsthalle Appenzell. Jetzt soll sich noch viel mehr ändern: «Möglichkeit Architektur» öffnet das gesamte Gebäude fürs Publikum und lädt alle Interessierten an, die Zukunft der ehemaligen Ziegelei mitzugestalten.
Gartenzwerge und Kuchenformen wurden in der Ziegelhütte gebrannt, auch mit Ofenkacheln wurde experimentiert. Aber 1957 war Schluss mit der Produktion: Die Ziegelhütte rentierte nicht mehr. Danach gab es im Brennofen eine Zeitlang eine Bar, die Feuerwehr nutzte den Industriebau für Übungen, Kinder bauten eine Geisterbahn ein. Das Areal wurde zum Abstellplatz und Möbellager, auf den ausgedienten Sofas knutsche und kiffte die Jugend. Pläne für einen Parkplatz, eine Strassenkreuzung oder ein Mehrfamilienhaus wurden nicht realisiert. Stattdessen kaufte der Architekt Roman Kölbener die Ziegelhütte 1982 im letzten Moment vor dem Abriss, um aus dem Industriedenkmal ein Ziegeleimuseum zu machen. Sein Unfalltod wenige Jahre später vereitelte dies. Aber in seinem Gedenken wurde ein gemeinschaftlich verwaltetes Kulturzentrum daraus.
Diese und viele weitere Geschichten über die Ziegelhütte werden derzeit in der Kunsthalle Appenzell präsentiert. Zusammengetragen wurden sie von Monica Dörig. Die Kulturjournalistin gehört zum Team rund um «Möglichkeit Architektur». Das Motto bezeichnet weniger eine Ausstellung als eine Baustelle, auf der die Zukunft der ehemaligen Ziegelhütte gedacht, entwickelt und geprobt wird.
Alle sollen mitgestalten
Die Erforschung der Geschichte bildet dafür ebenso ein solides Fundament wie die Aneignung der bestehenden Architektur. Diese ist inzwischen knapp zwanzig Jahre alt. 2001 hatte der Unternehmer Heinrich Gebert die Ziegelhütte erworben. Zwei Jahre später wurde nach einem Umbau durch Robert Bamert der heutige multifunktionalen Kulturort eröffnet. Allerdings war es dadurch mit der unkomplizierten Aneignung vorbei. Manche Menschen, die sich früher hier trafen, haben das Gebäude seither nie mehr betreten. Höchste Zeit also, den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen und die Ziegelhütte wieder ins Bewusstsein aller zu rücken, oder wie es Stefanie Gschwend formuliert: «Das aktuelle Projekt zielt auf eine inklusive, von Vielen mitgestaltete Auseinandersetzung mit dem Kulturraum.»
Die Direktorin von Kunsthalle und Kunstmuseum Appenzell will ergründen, wie die Institution wieder besser im Quartier verankert werden kann. Unterstützt wird sie dabei unter anderem von Anna Beck-Wörner. Die Kunstvermittlerin ist seit acht Jahren am Kunstmuseum tätig: «Meine Arbeit beginnt meist dann, wenn die Ausstellung fertig aufgebaut ist.» Diesmal hat sie von Beginn an mitgewirkt, denn es geht nicht darum, fertige Inhalte zu vermitteln, sondern: «Möglichst Viele zum Mitdenken einzuladen.» Anders als in Kunstausstellungen dürfen beispielsweise die Kinder mit Klemmbrett und Papier alle Räume selbst erkunden: «Wir freuen uns auf Zeichnungen ihrer Wunschziegelhütte.» Diese Bilder werden dann im grossen Ausstellungsraum hängen.
Neu, aber ohne grosse Umbauten
Bereits jetzt sind dort Gedankenschnipsel, Fundstücke aus der alten Ziegelei und historisches Bildmaterial zu sehen. Diese Sammlung soll weiter wachsen, unter anderem können Formen und Strukturen zusammengetragen werden, so der Baukulturforscher Ueli Vogt: «Architekt Bamert hat nicht einfach irgendwie gebaut, sein Formwille ist erkennbar. Jetzt geht es darum, die Qualitäten genau anzuschauen und zu verstehen versuchen.» Dabei ist immer klar: Grosse Umbauten wird es nicht geben, wenn im Herbst die Sanierung ansteht. Heizung, Automation, Licht, Wärme, Kälte – alles muss ersetzt werden. Die bauliche Struktur bleibt, aber: «Auch mit einfachen Mitteln lassen sich Dinge verändern.» Der Prozess zur Veränderung hat begonnen und ist ergebnisoffen. Wenn sich Viele beteiligen, kann aus der Kunsthalle Appenzell auch ohne Umbau ein neuer Ort werden.