Drei auf einen Streich

by Kristin Schmidt

Petra Cortright zelebriert Schönheit, Fred Waldvogel die Pilzwelt und Thomas Stüssi beobachtet Alltägliches und Schräges im Appenzellerland. Das Zeughaus Teufen präsentiert unterschiedliche Positionen in drei parallelen Ausstellungen.

Einsam baumeln die Luftballons im Garten. Das Fest ist vorbei. Die Welt ist nicht immer schön. Aber die traurigen, banalen oder rätselhaften Dinge und Begebenheiten gehören auch dazu. Und manchmal entfaltet sich gerade in ihnen Poesie. Thomas Stüssi ist diesen besonderen Momenten auf der Spur. Bei seinen Wegen durchs Appenzellerland hält der Teufener Künstler mit seiner Smartphone-Kamera fest, was ihm auffällt: die Auswüchse von Dekoration oder Konsum, absichtlich oder nachlässig Platziertes, die ganze Vielfalt zwischen eigenartig und komisch. Manches ist gezielt entstanden, wie der Verkehrskreisel oder die giftgrüne Weihnachtsbeleuchtung, anderes hat sich ergeben, wie die umgefallene Plastikkuh zwischen Schneeresten oder die Nebelschwaden über der Weide. Aber alles lohnt eine Betrachtung.

Idylle und Idealzustände

Das Zeughaus Teufen zeigt eine grosse Auswahl dieser Bilder im Erdgeschoss und geht damit neue Wege auch für das Publikum: Zum ersten Mal ist für eine Ausstellung der Haupteingang des Gebäudes geöffnet und der Museumsempfang im Erdgeschoss. Eine Etage weiter oben wartet die zweite Ausstellung dieses Sommers. Sie ist das Kontrastprogramm zu den Alltagsbeobachtungen Stüssis: Bereits vor drei Jahren haben Lilia und David Glanzmann, das Leitungsduo des Zeughauses, die Künstlerin Petra Cortright zu einer Ausstellung eingeladen. Die US-Amerikanerin malt mit Computermaus und Pixeln. Sie übersetzt vorhandenes Bildmaterial in digitale Gemälde und arbeitet dafür mit den Fotobeständen lizenzfreier Datenbanken. Für ihre Ausstellung «Paper-Thin Wood Veil Wide Range Hop Suisse!» durfte sie auf das Motivreservoir von Appenzellerland Tourismus AR zurückgreifen, auf Aufnahmen von Brauchtum und Landschaft, von Idylle und Idealzuständen. Cortright mischt diese Sujets, bearbeitet sie mit Filtern, legt Texturen drüber, verdoppelt, verändert, übermalt mit schwungvoller digitaler Geste. Aber sie dekonstruiert nicht, sie baut neu: Was schön war, bleibt schön, wird sogar noch schöner – auch durch die Art der Präsentation: Die Künstlerin druckt die Bilder entweder auf Stoff oder, erstmals für diese Ausstellung, auf Holzplatten statt wie bisher auf Aluminium.

Gesteigerte Schönheit

Die textilen Stücke hängen mitten im Obergeschoss des Zeughauses. Der Stoff ist so zart, dass die Landschaft vor den Fenstern durch die Gemälde hindurch scheint. Die reale Landschaft wird Teil der digitalen – oder umgekehrt. Auch auf den Holztafeln finden Hintergrund und Motiv zusammen, die Maserung wird Teil des Bildes. Mal ist der Farbauftrag lasierend, mal hebt er sich plastisch aus dem Bild heraus. Wieder andere Bilder haben einen Rand aus gelaserten Blumenornamenten: Sie sind den Stickereimustern aus Trachtenkragen nachempfunden. Cortright steigert Schönheit mit Schönheit, so sehr, dass es gut tut, sich im Erdgeschoss mit Thomas Stüssis Fotografien den Boden unter den Füssen zurück zu holen. Beide Perspektiven ergänzen sich und machen das Bild vom Appenzellerland erst vollständig. Un beide zeigen einen eigenständigen Weg, die digitale Fotografie künstlerisch zu nutzen. Die faszinierenden Möglichkeiten analoger Fotografie sind im historischen Schopf neben dem Zeughaus zu sehen. Hier, wo einst die Pilzkontrolle war, sind Fred Waldvogels «Pilzlandschaften» ausgestellt. Der Zürcher (1922–1997) war ein Pilzfanatiker. Er hat sie gesammelt, bestimmt und für den grossen Auftritt arrangiert: Perfekt ausgeleuchtet präsentieren sie sich als individuelle Lebewesen vor weissem Grund, ohne Schatten, ohne Makel. Erst die sorgsam hingestreuten Tannennadeln, ein gezielt platziertes Blatt oder aufwendig drapiertes Moos geben Auskunft über den Standort der Pilze.
Tausende Glasnegative wurden für die Ausstellung gesichtet und digitalisiert. In Teufen ist nur ein Bruchteil davon zu sehen, aber sehr stimmig im alten Schopf präsentiert. Zeitgleich zeigt das Museum im Bellpark in Kriens Waldvogels Arbeiten Waldvogels und im St.Galler Jungle Books Verlag erscheint ein Buch darüber.