Die Goldach als Landschaftsgärtnerin
by Kristin Schmidt
Die Goldach rauscht am Chastenloch vorbei. Lukas Indermaur ist begeistert. Die Wassermassen im Juni 2024 sind auch für den Gewässerverantwortlichen des WWF Regiobüro AR/AI-SG-TG nicht alltäglich: «Jetzt strömen hier fünf Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch, normal für diese Jahreszeit sind ein halber bis ein Kubikmeter.» Aber es hat viel geregnet in diesem Frühsommer und die Hänge sind steil. Letztere sorgen für eine Besonderheit: «Durch die stark bewaldeten Hänge gelangen über den Uferbereich viele Stämme ins strömende Wasser. Aus flussmorphologischer Sicht ist das sehr gut.» Indermaur spricht von Strömungsschatten und Pionierhabitaten, von Initialräumen und dem Schwemmholz als Nukleus: Hinter den Stämmen entstehen stillere Wasserbereiche, dort siedeln seltene Tierarten wie beispielsweise Gelbbauchunke und Geburtshelferkröte. Je nach Hochwasser verändern sich deren Lebensräume jährlich und bleiben dadurch räuberfrei: «Das Hochwasser ist der Herzschlag einer Aue.»
In der Goldach spielt vieles ideal zusammen: Sie ist ein eher siedlungsferner Fluss, die landwirtschaftlichen Belastungen sind niedrig. Im Geotopinventar wird ihr sogar nationale Bedeutung zugemessen, denn der Goldachgletscher hat hier eine einzigartige Landschaft geschaffen mit riesigen Gletschertöpfen und Schmelzwasserrinnen: «Die Strudeltöpfe sind wie ausgestanzt.» Indermaur kennt diese Formationen von seinen regelmässigen Flusswanderungen. Auf dem Wegstück Richtung Zweibrücken kommt der Trogener Gewässerbiologe erneut ins Schwärmen: «Hier sind alle Ingredienzen, die eine Aue braucht: starker Abfluss, Schwemmholz, Geschiebe, Sandbank, Fische.» Wo Fische sind, sind auch Angler. Indermaur sieht das locker, denn «Fischer sind die Augen und Ohren am Gewässer.» Sie kennen den Fluss und spüren Veränderungen. Einzig den Besatz sieht er kritisch: «Hier hoch kommen Bachforellen nicht auf natürlichem Weg, das sind ausgesetzte Exemplare.» Die Seeforellen beispielsweise schaffen es drei bis vier Kilometer die Mündung hinauf. Die Goldach ist damit der drittwichtigste Zufluss für deren Population am Bodensee – von der Quelle bis zur Mündung ist der Fluss ein Primärlebensraum für viele. Damit das so bleibt, ist es am besten, den Fluss in Ruhe zu lassen: «Der Fluss ist sein eigener Landschaftsgärtner.»
Obacht Kultur, GOLDACH, No. 49 | 2024/2