Rund um Duchamp und Urinal

by Kristin Schmidt

‹Artist´s Choice› spielt den Ball den Künstlerinnen und Künstlern zu. Das Kunstmuseum Liechtenstein lädt sie ein, ihren Blick auf die Sammlung zu zeigen und eine Ausstellung zu kuratieren. Bethan Huws kuratiert nach Martina Morger die zweite Ausstellung dieser Reihe und stellt Duchamp ins Zentrum.

Eine Ausstellung im richtigen Moment: In den Feuilletons wurde kürzlich ausgiebig diskutiert, ob nun Marcel Duchamp tatsächlich Schöpfer der ‹Fountain›, 1917, sei oder nicht vielmehr Elsa von Freytag-Loringhoven. Das Geraune mündete zumeist im Zugeständnis, er – und nicht sie – habe eben doch das Pissoir zum Kunstwerk erklärt und ausgestellt. Bethan Huws ist von diesen Diskussionen unbeeindruckt. Sie kennt die Wahrheit schon lange. Schliesslich hat sie sich intensiv mit dem Werk Duchamps beschäftigt und tut dies noch. Sowohl theoretisch als auch in ihrer Kunst – zu trennen ist das Eine ohnehin nicht vom Anderen, wie ihre Ausstellung in der Reihe ‹Artist´s Choice› im Kunstmuseum Liechtenstein zeigt. Eigens für die Präsentation hat die in Berlin lebende Waliserin vier neue Videos produziert. Sie zeigen die Künstlerin in ihrem Atelier, umgeben von Reproduktionen grosser Werke von Antonello da Messina, Caravaggio, Matthias Grünewald oder eben Duchamp. Sie referiert über ihre Auseinandersetzung mit ‹Fountain›, mit dem Ready-made, der Beziehung zwischen Duchamp und dem Kunstkritiker Guillaume Apollinaire und fasst schliesslich ihre Recherchen zu Duchamp zusammen, die bereits 2014 als Forschungsnotizen veröffentlicht wurden. Die vier Videos verstehen sich als eigenständige künstlerische Arbeiten und sind zugleich Dokumentationen einer vertieften kunsttheoretischen Recherche. Bethan Huws erweitert Duchamps Gedankengebäude in viele Richtungen ausgehend von seinen bevorzugten Farben, von Homonymen, von Zahlensystemen oder dem Schachspiel. Prominent platziert ist ‹Winter (or Reason)›, 2018, eine Schneekugel mit einer originalgrossen Replik des Duchampschen Urinals. Es dreht sich in unregelmässigen Abständen um die eigene Achse und wirbelt Styroporschnee auf. Bezug nimmt Huws damit beispielsweise auf die zahlreichen Verweise auf den Winter Duchamps Werk.
Duchamps ‹Boîtes› und ‹Boites-en-valises› aus der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein sind ebenso Teil der Ausstellung wie Arbeiten von Thomas Struth, Picasso, Josef Albers oder Lucio Fontana, die von der Künstlerin in Analogie zu Duchamp gesetzt werden. Zu ihrer freien und assoziativen Zusammenstellung gehören auch kleine Abbildungen von Sammlungswerken, die hier gar nicht gezeigt werden. Mit diesen Hinweisen öffnet Bethan Huws den Raum für Werke ausserhalb der Sammlung: Alles, was nicht zu sehen ist, gehört trotzdem dazu, wenn es sich mit Duchamp in Verbindung bringen lässt.

→ ‹Artist’s Choice: Bethan Huws›, Kunstmuseum Liechtenstein, bis 1.9.
↗ kunstmuseum.li