Der Traum vom perfekten Raum
by Kristin Schmidt
Die Architektin Annette Gigon und der Kurator Adam Budak aus Graz sprachen über Architektur für die Kunst. In der Kunsthalle ging das Symposium «Handlungsräume» den Fragen nach, was ein Museum brauche, um zu funktionieren. Wo treffen sich Kunst, Künstler, Betrachter und Ausstellungsmacher?
Was macht gute Museumsarchitektur aus? Die einen werden antworten: Ein Museum muss sich seiner Funktion, der angemessenen Präsentation von Kunst, unterordnen. Es muss weisse, neutrale Räume mit Oberlicht besitzen und wohlproportioniert sein. Anderen genügt dies nicht; sie verstehen Museen als Prestigeobjekte, wünschen sich Museumsneubauten mit «Leuchtturm»-Charakter und hoffen auf den mittlerweile sprichwörtlichen «Bilbao»-Effekt. Die dritten wiederum sehen die Sache pragmatisch, wie etwa Georg Baselitz: Ein Museum brauche einen Boden, Wände, eine Lichtdecke und eine Tür zum Hineingehen.
Das Spektrum dessen, was ein Kunstausstellungshaus können muss und wie es aussehen soll ist also denkbar breit. Vielfältig sind die Anforderungen – und ebenso vielfältig die Lösungsvorschläge der Architekten.
Das Symposium «Handlungsräume» in der Kunsthalle St. Gallen hatte sich am vergangenen Samstag zum Ziel gesetzt, die Ansprüche an einen Kunstausstellungsort aus zwei verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Eingeladen waren Annette Gigon und Adam Budak, um einmal aus der Perspektive der Architektin und zum anderen aus der des Kurators über ihre Arbeit mit dem Raum für Kunst zu sprechen. Annette Gigon hat sich gemeinsam mit Mike Guyer nicht zuletzt durch ihre Museumsbauten einen guten Namen erworben. Adam Budak wiederum ist durch seine Arbeit im spektakulären Bau des Kunsthauses Graz vor besondere Aufgaben gestellt.
Die Architekten Gigon/Guyer vertreten mit ihren Bauten eine charakteristische, klare Formensprache – sichtbar an Beispielen wie dem Liner-Museum Appenzell, dem Kirchner-Museum Davos, den Erweiterungsbauten für die Stiftung Oskar Reinhart am Römerholz oder das Kunstmuseum in Winterthur. Die Architektin stellte Beispiele des eigenen Schaffens vor und ging auf die spezifischen Anforderungen und Merkmale ein. Das allein wäre bereits interessant genug gewesen; doch ebenso war es Gigons Abriss sowohl aus historischer als auch nutzungsspezifischer Perspektive. Denn Nutzer sind sowohl die Künstler wie auch die Ausstellungsmacher und die Besucher.
Doch kann man überhaupt allen gerecht werden? So liegen zwischen den Forderungen Remy Zauggs aus seiner 1987 erschienenen Schrift «Das Kunstmuseum, das ich mir erträume» und der scheinbaren Anspruchslosigkeit von Baselitz Welten. Ähnlich wie zwischen Alfred Lichtwarks Forderung nach grossen opulenten Treppenhäusern und durchfensterten Fassaden im 19. Jahrhundert oder den Bedürfnissen zur Präsentation von Videokunstsammlungen heute.
Ohnehin hat sich die Kunst mittlerweile mehr und mehr von der Institution und dem gebauten Rahmen emanzipiert. Sie findet ebenso selbstverständlich im Stadtraum Platz. Gigon verwies hier auf die gelungene St. Galler Stadtlounge von Pipilotti Rist und auf von Künstlern gestaltete temporäre Architekturen. Oder die Kunst verzichtet ganz auf physische Präsenz, indem sie in virtuellen Räumen stattfindet.
Auch für das KuBi-Projekt war der Verzicht auf einen festen Ort für die Kunst im Gespräch. Doch die Museen mit ihren über lange Zeiträume gewachsenen Beständen benötigen einen Rahmen – besonders auch für die Kunst, die sich nicht in Pavillons, Parks oder auf Filmleinwänden präsentieren lässt. Und so ist es denn auch der Anspruch von Architekten wie Gigon/Guyer, Orte zu schaffen, in denen sich die Wahrnehmungszeit ausdehnen lässt; Orte, die des Betrachters Augen nähren und seinen Kopf herausfordern.
Wie funktioniert nun all dies im Kunsthaus Graz? Das Haus von Cook/Fournier ist ganz im Sinne des Leuchtturmgedankens aufsehenerregend. Wie eine riesige blaue Blase scheint es mitten in der Stadtlandschaft vor sich hin zu blubbern. Sein Kurator Adam Budak verglich es treffend mit Marilyn Monroe: theatralisch, eigenwillig, exzentrisch und nicht zuletzt spektakulär. So ein Bau stellt höchste Anforderungen an Ausstellungsmacher und Künstler. Da im Inneren keine Wände existieren, müssen neue Präsentationsformen her. Doch schnell einmal dominiert die Ausstellungsarchitektur die Kunst, und am Beginn einer jeden kuratorischen Überlegung steht ohnehin diese spezielle Architektur; so bekannte sich Adam Budak denn auch zu einem gewissen Masochismus, der im Umgang mit diesem Haus unerlässlich sei.