Herbst im Pfalzkeller

by Kristin Schmidt

Beatrice Im Obersteg und Andreas C. Meier haben ihre Musik- und Tanzperformance «Herbstatem» speziell für den Pfalzkeller konzipiert und am vergangen Wochenende aufgeführt.

Der Duft trockenen Herbstlaubes empfing den Besucher des Pfalzkellers. Es raschelte unter den Sohlen. Warmes Licht durchflutete die Halle. Augen, Ohren und Nase hatten schon vor dem Beginn der Musik- und Tanzperformance «Herbstatem» etwas zu sehen, hören, riechen.

Die Sinne wecken, die Wahrnehmung herausfordern – manch Künstler setzt sich das zum Ziel, doch das Einlösen dieses Anspruches ist nicht einfach. Beatrice Im Obersteg aus Luzern und dem Wädenswiler Andreas C. Meier ist dies mit dem Team «räumlich-kollektiv» gelungen. Ausgangspunkt war Calatravas Architektur im Pfalzkeller, die Harmonie und Leichtigkeit, die Lichtregie im weissen Gewölbe wie auch die verwendeten Materialien und das Grau des Bodens. Manche Aspekte der Architektur wurden aufgenommen, zu anderen wurde der Gegensatz gesucht. So tauchte die runde Form bereits beim Ausgangsbild von «Herbstatem» mit einem Kreis aus Herbstlaub wieder auf. Jedoch bildete die warme rostrote Farbe des Laubes, unterstützt durch rot-gelbe Beleuchtung (Licht: Carmelo Suchini), den denkbar grössten Gegensatz zur Kühle des Raumes. Der Perkussionist Markus Lauterburg wiederum stimmte das Stück mit sanften, leisen Tönen ein, die aufs Beste den weichen, fliessenden Formen der Halle entsprachen.

Eine Besonderheit von «Herbstatem» ist, dass Musik und Tanz in ihrer Bedeutung, ihrem Anteil an der Inszenierung gleichwertig behandelt werden. Die Musik dient nicht der Untermalung des Tanzes, stattdessen gestalten Markus Lauterburg und Saxofonist Christian Kobi das Stück gemeinsam mit den Tanzenden. Zunächst liegt das Augenmerk auf Lauterburg und Im Obersteg: Der Herbst erwacht. Die Tänzerin nimmt Formen der Architektur, die Bögen, die grosszügigen Schwünge wieder auf, steigert die Bewegung bis zum Wirbel inmitten der Blätter, sich schliesslich mit skulpturalen Momenten in ihrem rostrot schimmernden Umhang (Kostüm: Eva Waldmann) verpuppt, um sogleich wieder aus ihrem Kokon zu schlüpfen.

Während Im Obersteg mit dem Schlagzeug agiert, kündigt ein beinahe lautloses Blasen des Saxofons den Tänzer an. Meier und Im Obersteg tanzen Blättersturm und Innigkeit, Vertrautsein und Spiel. Beide arbeiten präzise und dennoch gefühlvoll. Obgleich sehr unterschiedlichen Typs finden sie zum Gleichklang der Bewegungen und der Stimmung. Einen Höhepunkt bildet jedoch gerade die Szene, in der ein Kräftemessen in einer Konfrontation kulminiert. In eindrücklichen Körperbildern und unterstützt von winterlich kaltem Licht werden Gegensatz und Widerstreben formuliert. Statt Winterschlaf im Blätternest also Aufruhr der Gefühle. Zum Wintereinbruch setzen sie dem Herbst ein Denkmal.