Malerin und Moritatensängerin
by Kristin Schmidt
Als Maria Lassnig 2014 im Alter von 94 Jahren stirbt, ist sie eine Malerin von Weltrang. Ihre Werke sind in vielen wichtigen Sammlungen und Ausstellungen präsent. Aber auch als Medienkünstlerin war Lassnig wegweisen. Das Magazin 4 in Bregenz zeigt jetzt eine Auswahl ihrer Kurzfilme.
Maria Lassnig bringt Gemälde zum Sprechen. Die Malerin zählt zu den wichtigsten Persönlichkeiten in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Doch in ihrem Animationsfilm «Art Education» lässt sie Figuren anderer Künstler zu Wort kommen. So klagt das Modell aus Vermeers berühmten Bild «Die Malkunst»: «Du behandelst mich wie ein Objekt.». Der Maler antwortet ihr unbeeindruckt: «Du bist jetzt ein Objekt.» Doch Maria Lassnig wäre nicht sie selbst, wenn sie es dabei belassen würde. Ein Rollentausch ist rasch vollzogen, der Maler wird selbst zum Modell. Auch Michelangelos berühmter Adam ist mit seiner Rolle unzufrieden und mit seiner Hautfarbe, aber Lassnig lässt Gott entgegnen, schwarz komme eben nicht vor in der Bibel.
Maria Lassnig blickte in ihrem Kurzfilm humorvoll und kritisch auf die Kunstgeschichte und deren Schieflagen. Ihre scharfsinnigen Analysen sind bis heute aktuell, aber viel zu wenig bekannt. Das will die aktuelle Ausstellung im Magazin 4 in Bregenz ändern.
Trickfilme kolorieren als Broterwerb
Zu sehen sind hier sieben der wichtigsten Filme Lassnigs und das frühe Gemälde «Informel». Es wurde 1980 durch die Stadt Bregenz angekauft. Es ist das Jahr, in dem Lassnig nach langen Aufenthalten in Paris und New York nach Wien zurückkehrt und an der Hochschule für angewandte Kunst eine Professur erhielt – als eine der ersten Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum. Endlich konnte sie von ihrer Kunst leben. Zuvor hatte sie als Broterwerb für ein Trickfilmstudio Hintergründe koloriert. Ihre eigenen Filme sind aber keineswegs nur Nebenprodukte dieser Zeit. Sie sind eigenständige Werke und eng verwoben mit der Weltanschauung Maria Lassnigs, ihrer Malerei und ihrem Leben. «Couples» beispielsweise erzählt von Beziehungskonflikten, von körperlichen und emotionalen Spannungen, davon, wie Frauen geringgeschätzt werden, aber sich dennoch behaupten.
In ihren Filmen zeigt sich Lassnig als geübte Zeichnerin. Sie konstruiert und dekonstruiert Körper, sie erweckt Linien zum Leben und spielt mit den Sujets. Ein Stuhl wird zum Körper und wieder retour, ein Sessel beginnt zu quellen; Augen, Ohren, Nase, Mund wandern im Gesicht umher. Andere Sequenzen haben dokumentarischen Charakter wie etwa die Aufzeichnungen einer Vernissage: Menschen stehen vor Lassnigs Bildern. Sie reden und rauchen. Schaut jemand auf die Kunst? Oder hängen die Aktbilder – Zeugen einer Selbstvergewisserung und einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit dem gängigen Frauenbild – nur als Beiwerk angeregter Gespräche an den Wänden?
Kämpferische Künstlerin
Lassnig glaubt an die Kraft der Kunst. Eine Ausstellungseröffnung ist ein temporäres Ereignis, ihre Bilder jedoch bleiben und sind ab den 1980er Jahren in den grossen Ausstellungshäusern Europas genauso zu sehen wie an der Documenta Kassel und der Biennale Venedig.
Lassnig ist ihr Ruhm nicht zugefallen. Sie hat viel und konsequent gearbeitet und die männliche Dominanz in der Kunst ihrer Zeit nicht einfach hingenommen. Im Film «Kantate» arbeitet sie diesen ständigen Kampf um ihr Werk und die Anerkennung auf. Im Stil eines Moritatensängers erzählt sie in 14 Strophen ihr Leben. Sie spart den Ehekrieg der Eltern ebensowenig aus wie die Enttäuschungen in Beziehungen oder das postfaschistische Europa, besingt aber auch die Gemeinschaft starker Künstlerinnen in New York. Als 73jährige blickt sie in wechselnden Kostümen auf ihr Leben zurück, abgeklärt ist sie da aber noch lange nicht, sondern voller Witz und Ironie, die sie noch 22 weitere Jahre durchs Leben tragen werden.