Ana Lupas – Kunst unter dem Auge der Zensur
by Kristin Schmidt
Ana Lupas gehört seit den 1960er Jahren zu den wichtigsten Künstlerinnen ihrer Generation in Osteuropa. Das Stedelijk Museum Amsterdam und das Kunstmuseum Liechtenstein widmen ihr die erste grosse Einzelausstellung. In Vaduz konzentriert sich die Schau auf wenige Werkgruppen, die dafür grossen Platz erhalten.
Vaduz — Ana Lupas entwickelte ihre künstlerische Arbeit unter herausfordernden Bedingungen. Sie wurde 1940 in Cluj-Napoca in Rumänien geboren und lebt bis heute dort. Der Staat jedoch ist seit der Rumänischen Revolution 1989 ein anderer. Bis dahin verlangte die kommunistische Diktatur, die Kunst in den Dienst ihrer Ideologie zu stellen. Unangepasstheit war verdächtig. Ana Lupas hat sich dennoch Freiräume erarbeitet. Ihr Werk ist verwandt mit der Konzeptkunst, mit neo-dadaistischen Strömungen und der Land Art. Eines ihrer bedeutendsten Werke entstand 1970 auf einer 3´000 Quadratmeter grossen Wiese in der Nähe ihres Wohnortes. Dort installierte die Künstlerin gemeinsam mit Freiwilligen ein geometrisches Raster aus Holzpfählen und spannte Seile dazwischen. Darüber wurden selbst gewebte Stoffbahnen in offenen Schlaufen gehängt. Die ‹Humid Installation› dauerte nur einen Tag und war doch ebenso monumental wie sorgfältig komponiert. Sie würdigte die Landschaft, die traditionelle, dem Verschwinden geweihte und oft den Frauen vorbehaltene Arbeit des Bleichens, Waschens und Trocknens von Tüchern. Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt die Aktion in historischen Aufnahmen und späteren Versionen von 1990 bis 2019. Mit jeder Variation werden die Materialien starrer: von wassergetränktem Leinen zu teergedrängten Tüchern bis zu Versionen aus Kunstharz, Metall und Ziegelsteinen. Damit verliert das Werk schrittweise seine subversive Qualität und Kraft. Die sich horizontal ausbreitende Grösse und Leichtigkeit weicht einer etwas angestrengten Künstlichkeit.
Weitere grosse Werkgruppen sind die 200 ‹Self Portraits›, 2000, für die Lupas Ausstellungsplakate mit ihrem Konterfei übermalt, die ‹Identity Shirts›, ab 1969, mit denen die Künstlerin Kleidungstücke und somit den Körper selbst in ein Bild verwandelt, oder die ‹Eyes›, 1974–1991: Augäpfel aus Porzellan mit weit aufgerissenen oder tränenden Augen, mit geklammerten oder vernähten Lidern. Platziert im ersten Saal des Obergeschosses blicken sie die Hereintretenden durchdringend an. Die Arbeit ist dem Sehsinn und den menschlichen Regungen gewidmet, lässt sich aber auch als Kommentar auf das in Rumänien omnipräsente Kontrollorgan, die Securitate, lesen. Hier zeigt sich, was für alle Arbeiten Lupas´ gilt: Sie zeugen einerseits von der besonderen Situation, in der Lupas´ ihr Werk entwickelt, und sind andererseits allgemeingültig.
‹Ana Lupas. Intimate Space – Open Gaze›, Kunstmuseum Liechtenstein, bis 16.3.
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