Ana Strika – Konstellationen in Karton

by Kristin Schmidt

Ana Strika erarbeitet für ihre Ausstellungen grosse, begehbaren Installationen. Dafür baut die Zürcher Künstlerin im Vorfeld stets Modelle. In Friedrichshafen ist das Modell selbst zum Werk geworden: Die Künstlerin hat ein Stück aus Karton, Papier und kleinen Fundstücken arrangiert. Ein wichtiger Mitspieler ist ausserdem das Licht.

Friedrichshafen — Ana Strika (*1981) macht aus dem White Cube eine schwarze Kiste. Die Zürcher Künstlerin stellt als Stipendiatin der ZF-Kulturstiftung ihre Arbeit im Zeppelin Museum Friedrichshafen aus. Die Stiftung finanziert einen einjährigen Atelieraufenthalt und den Ausstellungsraum. Dessen Eingang liegt versteckt neben der Museumsgarderobe. Vom Foyer aus weist wenig auf ihn hin, er muss entdeckt werden. Diese Situation und die damit verbundenen Fragen hat Ana Strika als Ausgangspunkt ihrer ortsspezifischen Arbeit gewählt: Was ist ein verschachtelter Raum? Wie empfängt er die Eintretenden? Wie bewegen sie sich dort? Mit welcher Geschwindigkeit? Die fast völlige Dunkelheit des Raumes ist Teil ihres künstlerischen Konzeptes. Sie erfordert andere Bewegungen und aufmerksamere Beobachtungen. Wer sich jedoch nach einiger Zeit an die Schwärze gewöhnt hat, wird mit intensiven Raumerlebnissen belohnt. Ana Strika konstruiert eine Bühnensituation. Auf einer schwarzen Platte mit unregelmässig geschwungenem Grundriss baut sie Wände aus Kartonresten. Sie stehen zueinander in stumpfen und spitzen Winkeln, lassen kleine Gänge frei, bilden Plätze oder Sackgassen, erlauben Blicke durch unförmige Löcher. Im spärlichen, aber sehr gezielt genutzten Licht von oben zeichnen sich vielfältige Schatten ab. Manches ist in vollständiges Dunkel getaucht, anderes steht im sprichwörtlichen Rampenlicht: Zwischen den Kartonagen stehen Leitern aus Zweiglein und ein winziger Tisch, zwei Kügelchen liegen auf einem Kubus, auf einer Konsole ist die Schale einer halben Baumnuss zu sehen – kleine Dinge werden in ‹Die Vorstellung›, 2024 zu wichtigen Akteuren. Aber sie führen kein Stück auf, sondern performen ihre eigene Präsenz. Die Installation zu umrunden, gleicht dem Blättern in einem Bilderbuch: Mit jeder Bewegung öffnet sich ein neues Bild; eine neue Szene, die in ihrer Entrücktheit an die metaphysischen Bildräume de Chiricos erinnert und doch abstrakt bleibt. Damit wird das Ordnende der Sprache herausgefordert, die architektonischen Zellen zu benennen, die Behälter, Gerüste oder Türme. Dem poetischen Charakter der Installation tut dies keinen Abbruch, denn jede Beschreibung bleibt subjektiv und fragmentarisch; hier entfaltet der Titel ‹Die Vorstellung› seinen Doppelsinn: Ana Strika lässt die Dinge ihr eigenes stilles Stück aufführen und die Imaginationskraft tut ihr Übriges. Und wie im Theater ist die zentrale Erfahrung nur vor Ort möglich.

‹Ana Strika. Die Vorstellung›, ZF Kunststiftung im Zeppelin Museum Friedrichshafen, bis 26.1.
www.zf-kunststiftung.com