Beatrice Dörig, Bildbogen, Obacht Kultur
by Kristin Schmidt
«Multiversum lll», 2023, mit Ram Samocha, Brick Lane, London
«Liegende Acht Vl», 2023, Brighton UK
«Moon is the Oldest Performer», 2024, mit André Meier, Trompete/Elektronik, Kunsthalle Wil
Die Zeichnung ist eine fragile Kunstform. Vielfach werden Zeichnungen für Studien, Skizzen oder Entwürfe genutzt. Für Beatrice Dörig steht die Zeichnung im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Und die in Herisau aufgewachsene Künstlerin treibt den fragilen Charakter des Mediums auf die Spitze. Im Gegenzug steigert sie das Format ins Monumentale: Während ihres Atelieraufenthaltes in England zeichnete Beatrice Dörig am Meer in Brighton und auf eine öffentliche Wand in London. Dort, in der Brick Lane, arbeitete sie gemeinsam mit dem britischen Künstler Ram Samocha. Beide liessen ihre Zeichen, Linien, Striche ineinander fliessen, fügten Schicht um Schicht hinzu, bis ein dichtes Linienbild gewachsen war. Erstaunlich lange blieb es auf der Wand erhalten, bis die Fläche wieder von Streetart vereinnahmt wurde. Von noch viel kürzerer Dauer waren Beatrice Dörigs Zeichnungen am Strand: «Das Meer spült die Zeichnung in jedem Moment wieder weg. In jedem Moment habe ich die Form aufs Neue gesucht. Wieder und wieder. Zeichnen ist suchen.» Das Temporäre ist ein wichtiger Aspekt in ihrer Arbeit. Ein anderer ist der körperliche Einsatz, wenn sie wand- oder sogar raumfüllende Linien zeichnet. Besonders intensiv war die Auseinandersetzung mit der Natur: Nicht nur hat das Wasser die Zeichnung kontinuierlich verschwinden lassen, zusätzlich bestand der Strand aus kleinen Kieseln, was die körperliche Anstrengung vervielfachte. Beatrice Dörig nahm in Brighton die bereits früher thematisierte liegende Acht wieder auf. Das Zeichen für Unendlichkeit ist der bewusst gewählte Widerspruch zur Endlichkeit der Zeichnung.
Obacht Kultur, PERFORMANCE, No. 50 | 2024/3