Notes on Kim Lim – zwei künstlerische Positionen im Zusammenklang
by Kristin Schmidt
Vergessene Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts gehören seit einigen Jahren zu den Neu- und Wiederentdeckungen in Museen, an Biennalen oder der Documenta. Eine dieser Wiederentdeckten ist Kim Lim. Die Künstlerin Daiga Grantina zeigt im Kunstmuseum Appenzell ihren Blick auf die Britin.
Kim Lim wurde 1936 in Singapur geboren, ging 1954 zum Kunststudium nach London – und blieb. Bis zu ihrem Tod 1997 arbeitete sie als Bildhauerin, fotografierte und zeichnete. Ihr Werk ist in zahlreichen Sammlungen vertreten und wurde doch zu ihren Lebzeiten selten ausgestellt, vor allen nicht ausserhalb Grossbritanniens. Daiga Grantina arbeitet ebenfalls im dreidimensionalen Bereich. Der Begriff Bildhauerin klingt aber angesichts ihrer fragilen Werke aus Textilien, Bindfäden, Kunststoff und Naturmaterialien veraltet. Sie ist 1985 in Saldus in Lettland geboren und lebt in Paris. Sie studierte Kunst in Hamburg und Wien und hat in ihrem Lebenslauf bereits viele internationale Ausstellungen vorzuweisen.
Ein gutes Ausstellungsrezept
Wie lässt sich das Werk zweier Künstlerinnen aus so unterschiedlichen Zeiten und Zusammenhängen gemeinsam ausstellen? Kann dabei mehr herauskommen als ein zeitgleiches Nebeneinander? Es kann, wenn die Zutaten stimmen: die Qualität der künstlerische Positionen und die klare Architektursprache des Kunstmuseum Appenzell. Aber die Ingredienzen sind nicht alles. Sie müssen auch im richtigen Verhältnis stehen. Dafür hat Stefanie Gschwend, seit zwei Jahren Direktorin des Kunstmuseums, die Künstlerin Daiga Grantina gebeten, ihren Blick auf Kim Lims Werk zu zeigen. Zunächst hat Grantina den Nachlass Lims studiert und schnell entdeckt, dass die Werke aus Holz und Stein mehr sind als steife, strenge Formen. Kim Lim bezieht sich zwar auf die klassische Moderne, hat aber auch fernöstliche Referenzen eingefügt. Wasser, Wind, Wellen und das einfallende Licht sind wichtige Komponenten ihrer Arbeit. Diese Elemente interessieren auch Grantina. Sie lässt sich von der Wasseroberfläche inspirieren oder integriert Vogelfedern in ihr Werk. Im Kunstmuseum Appenzell treffen beispielsweise Grantinas «Blue Sun» und Lims «Intervalle» aufeinander. Grantina rückt die Sonne als Quelle des Lichts ins Zentrum: Eine halbkreisförmige, blaue Scheibe ist teilweise verborgen hinter einem zarten Schleier aus transparentem Wachs. Sie wird zum Gestirn des Ausstellungssaales. Kim Lim hingegen wählte die strenge geometrische Form: Lange Rechtecke sind von horizontalen Einschnitten unterbrochen. Mit dem Wechsel von Material und Leerstelle konstruierte die Künstlerin einen Rhythmus aus Licht und Schatten.
Licht und Poesie
Für die Präsentation im Kunstmuseum Appenzell hat Grantina in jedem der zwölf Ausstellungsräume zunächst ein Werk positioniert; entweder ein eigenes oder eines von Kim Lim. Davon ausgehend hat sie nach Verwandtschaften gesucht, andere Werke hinzugefügt und positioniert. Dabei hat sie auch auf die Fenster des Museums geachtet und auf die besondere Lichtsituation der Räume. Eigens für die Ausstellung hat die Künstlerin Sockel entworfen, die sie «Wandvorsprünge» nennt oder «Raumecho». Sie sind nicht freistehend, sondern an die Ausstellungswand angebaut. Ihre Stellflächen liegen auf über Augenhöhe und fangen das von oben einfallende Licht ein. Auf diesen hohen, lichten Flächen verlieren die Skulpturen und Objekte ihre Schwere und beginnen zu schweben.
Die poetische Grundstimmung der Ausstellung wird sich auch im geplanten Buch fortsetzen. Dafür tragen die Lyrikerin Ilma Rakusa Gedichte bei und die St.Galler Künstlerin Katalin Déer richtet ihren Blick auf die beiden Positionen. Zur Buchvernissage am 4. Mai 2025 wird ausserdem die polnische Klangkünstlerin und Komponistin Anna Zaradny eine klangliche Notiz gestalten.