Was Sie schon immer über den Kunstbetrieb wissen wollten
by Kristin Schmidt
Kunst und Kommerz, Kunst und Kopie, Kunst und neue Medien – Ansätze für theoretische Auseinandersetzungen gibt es viele. Aber selten werden sie so schwungvoll in die Praxis übersetzt wie in der aktuellen Ausstellung der Kunst Halle Sankt Gallen.
St.Gallen — Bunt, unterhaltsam, fotogen – die in der Kunst Halle Sankt Gallen ausgestellten Werke machen Spass, sehen gut aus oder beides. Basketbälle liegen griffbereit am Boden. Plüschtiere grinsen in den Raum. Ein paar Meter weiter fährt ein Zombie auf der Harley vor. Spiegelwände vervielfachen raumhohe Bilderlebnisse und Mona Lisa leuchtet sanft vor sich hin. Die Kunst ist vergnüglich, bietet leichte Einstiege; anspruchslos ist sie allerdings nicht. Der Künstler Cory Arcangel hat gemeinsam mit Kunsthallendirektor Giovanni Carmine eine Ausstellung kuratiert, die in drei Räumen fast alles über Kunstrezeption erzählt, was sich zu erzählen lohnt. Wer sich beispielsweise in eines der drei bequemen Sofas fallen lässt, erhält in Videos von Jason Musson gemeinsam mit dem Plüschhasen Ollie einen Crashkurs in angewandter Kunstgeschichte: Eignet sich Kunst zur Selbstinszenierung? Unbedingt! Lässt sich Genialität erlernen? Mach es wie Picasso! In einem von karikierten Kunstwerken geschmückten Fernsehstudio tritt der spanische Meister gleich selbst auf und verrät seine Strategien. Solche braucht es auch dann, wenn der Markt die Kunst zu vereinnahmen droht. Barbara Kruger wehrt sich mit ‹Don´t Be a Jerk›, 2017. Sie reagiert auf die Übernahme ihrer Lettern durch eine Skatermarke, in dem sie im Gegenzug Skateboards in Kunstwerke transformiert. Das Kunstkollektiv Bernadette Corporation wiederum spielt mit den Logiken von Werbung, Ware und Wirtschaft, wenn es violett schimmernde Basketbälle mit transformierten Logos produzieren lässt. Auch die Digitalisierung der Kunst und deren massenhafte mediale Aneignung und Verbreitung werden thematisiert. So streamt beispielsweise Emily Sunblad das Datenblatt zu einem ihrer Werke aus dem Kunsthaus Zürich in die Kunst Halle Sankt Gallen: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit ist nicht mehr an einen Ort gebunden. Und es kann darüber hinaus aufgeblasen, in Bewegtbild und in Kulissen zur Selbstdarstellung übersetzt werden. Cory Arcangel persifliert im letzten Raum der Ausstellung mit ‹All I EAT IN A DAY›, 2024 den Trend zu immersiven Ausstellungen: gross, grösser, riesig, aber basierend auf Reproduktionen. In diesem Falle ist ein klassischer Picasso-Katalog in ein Spiegelspektakel verwandelt. Das funktioniert: Prompt werden die Mobiltelefone gezückt und die Kameras aktiviert. Diese Ausstellung liefert nicht einfach Theorien, sondern Beispiele, Erlebnisse und humorvolle Kritik.
All I Eat IN A DAY, Kunst Halle Sankt Gallen, bis 1. Dezember 2024
k9000.ch