Weisse Wannen, stilles Wasser: Der Basler Künstler Max Leiß zeigt in der Kunsthalle Arbon den Bodensee als Ort der Arbeit und der Freizeit

by Kristin Schmidt

Max Leiß erweist dem Bodensee Reverenz. Für seine Recherchen ist er mit dem Kanu während einer Woche dem Ufer entlanggefahren. Der in der Schweiz und in Frankreich lebende Künstler verwandelt die Kunsthalle Arbon in ein «Seestück».

Campingplätze, Badis, Museen, Jachthäfen, Velowege ­­­­– das Bodenseeufer wird durch Freizeitangebote geprägt. Zugleich steht es für Arbeits- und Werkplätze. Es bietet kleinen und grossen Unternehmen Platz und ist durchzogen von Wirtschaftswegen. Beides gehört gleichermassen zum Bodensee und beides wird von Max Leiß in seiner Schau «Seestück» in der Kunsthalle Arbon verwoben.

Bereits das Gebäude der Kunsthalle trägt beide Welten in sich. Einst diente es als Fabrikations- und Lagerhalle. Heute ist es ein Kulturort mit Ausstellungen, die sich immer wieder mit der Industriegeschichte des Hauses auseinandersetzen. Auch Max Leiß hat sich von der Vergangenheit inspirieren lassen, als die Firma Schädler in der Halle noch Schubkarren produzierte und lagerte.

Schubkarren als Scharnier zwischen Natur und Kultur

Der in Basel und Marseille lebende Künstler hat gebrauchte Karetten zusammengetragen, die Räder und Holme demontiert und die verbleibenden Teile weiss gestrichen. In verschiedenen Positionen – aufrecht, gekippt, verkehrt herum – sind sie auf dem schrundigen Boden der Halle platziert. Manche der Wannen sind mit Wasser gefüllt. Sie muten wie kleine künstliche Teiche an und stehen doch in denkbar grossem Kontrast zu natürlichen Wasserstellen: Das klare Wasser in den weissen Behältern ist still und ohne Leben.

Leiß inszeniert die Schubkarren als Scharnier zwischen Natur und Kultur – so wie sie auch in ihrer eigentlichen Funktion verwendet werden: Wenn die Welt in eine neue Form gebracht wird, dienen sie bei den Bau- und Gartenarbeiten als Transportmittel. Jetzt sind sie zu Kunstobjekten verwandelt und ordnen sich in die lange Geschichte der künstlerisch transformierten Alltagsgegenstände ein.

Kaum noch unberührte Natur

Die kleinen, weissen Bassins bilden nicht nur einen Gegensatz zur Natur und zum Industriecharme der Kunsthalle, sondern auch zum so viel grösseren Bodensee. Auch ihn integriert Max Leiß in seine Ausstellung. Mit dem Kajak ist der Künstler eine Woche lang dem Ufer des Sees entlanggefahren. Die auf dieser Reise entstandenen Filmaufnahmen und das verwendete schmale Boot zeigt er im Untergeschoss der Halle.

Wie bei einem Pfahldorf stehen hier die Stützen dicht an dicht, während der gleichmässige Paddelschlag vom Sound des Videos ins Ohr dringt. Die Aufnahmen zeigen das Wechselspiel von Freizeit und Arbeit am Bodensee: die Uferstellen, die zum Baden einladen, deren Nähe zu bebauten Zonen, den Schilfgürtel und dann wieder Zeichen der Industrialisierung, die Stille, aber auch die Lichter am anderen Ufer.

Das Video zeigt deutlich: Unberührte Natur am Bodensee gibt es kaum, der Mensch hat hier fast überall die Hand im Spiel. Doch die Vielfalt ist gross und bietet Raum für lohnende Erkundungen. Leiss hat für die Projektion den passenden Ort gewählt: Das Dunkel des Untergeschosses erlaubt förmlich, hinab- und einzutauchen in diese Vielfalt.

Um das «Seestück» des Künstlers abzurunden, muss nicht nur aufgetaucht, sondern bis ins Obergeschoss der Kunsthalle hinaufgestiegen werden. Hier zeigt Leiß Fotografien, die am Rhein in der Nähe von Basel entstanden sind. Damit verweist er darauf, dass der Bodensee kein sich geschlossener Wasserraum ist. Die Wasserstrasse zieht sich von hier aus weiter, nimmt andere Formen an und hat erneut industrielle und kulturelle Bedeutung.