Der Sommer geht, die Kunst kommt.
by Kristin Schmidt
Am Sonntag tat der Sommer noch einmal so, als müsse er nie abtreten. Es war ein perfekter Tag für die Badi – und für die Kunst. Beide trafen im Freibad Heiden aufs Schönste zusammen, denn der «Streunende Hund» war hier zu Gast.
«Papa, wieso hat´s da so Fotos?» Etwas ist anders in der Badi Heiden. Zwischen den blauen Türen der Umkleidekabinen stehen gerahmte Fotos am Boden. Die Schliessfächer grüssen mit poetischen Botschaften. Auf einem Handtuch schwimmt jemand durch die Wiese. Kunst hat sich am vergangenen Sonntag im Schwimmbad Heiden unter die Badegäste gemischt. Nicht gross und knallig, sondern leise und schön, unterhaltsam und nachhaltig – und überall dort, wo ein weisses Fähnchen im Boden steckte. Darauf abgebildet ist ein Hund: das Symbol des Kollektivs «Streunender Hund». Seit 2019 sind unter diesem Namen Künstlerinnen, Künstler und andere Kulturaktive gemeinsam in der Ostschweiz unterwegs. Ihre Kunstwerke und Aktionen in der Badi Heiden sind alle für diesen Ort entstanden. Dabei war die Ausgangslage nicht einfach, denn die 1932 eröffnete Anlage ist denkmalgeschützt. Nirgends darf ein Nagel in die Wand geschlagen, etwas fest geklebt oder aufgemalt werden. Umso ideenreicher haben die Kollektivmitglieder und ihre Gäste die Kunst platziert. Ein Beispiel sind die am Boden platzierten Fotos von Wassili Widmer, die alle Mitglieder des Kollektives an einem regnerischen Frühsommertag in der Badi zeigen. Ein anderes sind die «Tropfsteine» von Sven Bösiger: Von einem dünnen, zerknitterten Aluminiumblech rinnt Wasser auf ein zweites und erinnert an einen erfrischenden Sommerregen. Auf den Treppenstufen liegt ein bedrucktes Neoprentuch von Donia Jornod, darauf glitzerten kleine Wasserpfützen im Licht. Einige Meter weiter trägt einer der schattenspendenden Bäume ein Kleid. Laura-Maria Drage hat es ihm angezogen. Die kommunizierenden Schliessfächer sind die Idee von Gabriela Falkner. «Schön, Dich hier oben zu sehen!» oder «Psst. Ich bin bereits im Winterschlaf.» verkünden sie in einfacher Schrift auf weissen Postkarten. Der schwimmende Mensch als Motivdruck auf einem Badetuch: Damit erweitert Mirjam Kradolfer das Becken bis auf die Wiese. Florian Gugger hingegen hat den Alpstein in die Badi geholt: Als Epoxy-Plastik glänzt er am Beckenrad in der Sonne.
Mehrere Künstlerinnen und Künstler luden die Badegäste ein, Teil ihrer Kunst zu werden. Fridolin Schoch bot einen Workshop an, in dem Fächer bemalt werden konnten. Harlis Schweizer malte direkt auf die Haut: Wer wollte, konnte ein Stück Badi auf dem Körper mit nach Hause tragen – als Original der Künstlerin. Auch von Birgit Widmer gab es etwas zum mitnehmen: ihre Zeichnung einer Meereswelle, gedruckt auf Seidenpapier. Das Duo kappenthuler/federer lichtete Interessierte mit Lochkameras vor ihrem Lieblingsplatz in der Badi ab. Der Technikraum des Bademeisters diente ihnen als Dunkelkammer. Die Beteiligten schwärmen vom unkomplizierten Zusammenspiel mit Gemeinde und Badi-Verantwortlichen. Dies wird am 1. Februar eine Fortsetzung finden: In fünf Monaten nämlich wird der «Streunende Hund» zum zweiten Mal in der Badi Heiden vorbeikommen. Er wird das Bad aus dem Winterschlaf wecken und neue oder weiterentwickelte Arbeiten werden hinzukommen.