Silvan Köppel: Schrott zu neuem Leben erwecken
by Kristin Schmidt
Gelbe Bauhelme weisen den Weg. Wer sich aufmacht nach Mohren bei Reute kann den Abzweig zu Silvan Köppels Rifugium nicht verpassen. Schon der Briefkasten ist kein Standardmodell, sondern eine mit Eisenteilen bestückte Wegmarke. Nun noch in tiefen Furchen einhundert Meter abwärts und die Schrottgebilde sind übermannshoch und überall: Eine Seilbahn mit Velo hoch über den Köpfen, ein Fahnenmast mit Kranführerkabine, Spinnentiere, eine Giraffe, Fantasievögel, aber auch alltägliche Gebrauchsdinge wie ein Gartentisch, Stühle oder eben der Briefkasten sind in den vergangenen dreissig Jahren entstanden und werden weitere Nachbarstücke erhalten. Silvan Köppels Werkstatt ist Atelier und Lager zugleich. Hier ist alles der Grösse, der Art oder der Form nach geordnet und wartet darauf, eine neue Form und neues Leben zubekommen. Silvan Köppel ist gelernter Schlosser und hat seine Passion im Verwerten aussortierter Dinge gefunden: Alte Schaufelblätter werden zu Barhockersitzflächen. Ein alter Matratzenrahmen wird zum Wandbild. Ein alter Heizkörper zu den Rippen eines Tieres. Silvan Köppel achtet darauf, den Dingen ihre Präsenz zu lassen: «Ich habe es gern, wenn beispielsweise die Fahrradketten noch zu sehen sind als das Rückgrat einer Figur.» Dabei spürt er bei jedem Ausgangsmaterial das Potential: «Das Material trägt Energie in sich, oder eben nicht. Je mehr Energie drin steckt, desto besser lässt es sich wieder verarbeiten.» Das gilt für einen ausrangierten Traktorsitz ebenso wie für den Nähmaschinentisch, aber manches hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert: «Heute haben viele Dinge keine Substanz mehr. So ist eine Zange aus Werkzeugstahl etwas anderes als billige Teile, die auf kurzlebigen Konsum ausgerichtet sind.» In vielen Anwendungen dominiert inzwischen der Kunststoff und vieles wird achtlos weggeworfen, auch das thematisiert Köppel: Im hinteren Teil des Geländes steht ein ausrangierter Anhänger, verwandelt in eine Unterwasserwelt voller Dinge. Sie sind verbraucht, aber sie sind noch da. Sie liegen am Meeresboden und zeugen von Achtlosigkeit. Silvan Köppel beschäftigt diese fehlende Wertschätzung: «Wie gehen wir um mit dem, was übrig bleibt, was wir hinterlassen?» Mit seinen eigenen Kreationen ist Köppel pragmatisch: Das Diorama selbst ist bereits wieder überwachsen von Brombeerranken und Gestrüpp und man ahnt es bereits: Bei Köppel darf sich die Natur die Dinge zurück holen.
Obacht Kultur, WIEDER UND WEITER, No. 48 | 2024/1