Gefahrenzone auf Kniehöhe

by Kristin Schmidt

Karin Schwarzbek zeigt im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil aktuelle Arbeiten. Die Zürcher Künstlerin mit Thurgauer Wurzeln untersucht die komplexen Ansprüche an den menschlichen Körper. Ihre Arbeiten basieren auf bekannten Gegenständen und Materialien.

Selbstoptimierung ist angesagt: schöner, sportlicher, schlanker – den Body Positivity Bestrebungen zum trotz. Beinahe täglich ist zu lesen, wie viel Sport das Leben verlängert, welche Sportarten dies besonders effizient tun und was gegessen oder worauf verzichtet werden sollte. In den digitalen Netzwerken boomen Kurzvideos idealer Körper. Wenn sie durch Operationen geformt wurden, wird daraus kein Geheimnis mehr gemacht. Karin Schwarzbek thematisiert diese Durchdringung des Alltags mit dem Körperkult. Sie kommt dabei ganz ohne Bilder dieser Körper aus. Die Arbeit der 1967 geborenen Künstlerin ist subtiler und führt weit über die aktuelle Fitnesswelle hinaus: Wie werden Körper im öffentlichen Raum gesehen? Wie sollen sie geschützt oder gelenkt werden? Welche Verbindungslinien gibt es in die Welt der Kunst?

Ein Balanciergurt in Rosa

Schwarzbek verwendet in ihren Werken Gegenstände und Materialien aus der Welt des Sports und der Verkehrs- oder Arbeitssicherheit. So kombiniert sie beispielsweise schwarze Sicherheitsgurte mit rosafarbenen Gewichtsmanschetten, wie sie im Laufsport eingesetzt werden. Die daraus genähten Gestelle hängen im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil auf einem Kleiderständer als wollten sie sagen, wir sind bereit, bist Du es auch? Eine Aufforderung schwingt auch in der Bodenzeichnung aus Flüssigkreide mit. Ihre Abmessungen entsprechen den Bodenmatten unter einem Schwebebalken und gleichen einem übergrossen Raster für Hüpfspiele: Spring, aber betritt die Linien nicht! Für die Wagemutigen spannt sich eine rosafarbene Slackline in der Höhe eines Schwebebalkens über das Feld. Die Farbe des Gurtbandes spielt einerseits darauf an, dass der Schwebebalken im Wettkampfsport den Frauen vorbehalten ist. Andererseits zieht sich Rosa durch Karin Schwarzbeks Arbeit, weil die Farbe deutlich mehr Einsatzgebiete hat: Wenn die Künstlerin ein Fenstergitter in «Cool Down Pink» streicht, bezieht sie sich damit auf Rosa als Agressionshemmer. Ausnüchterungszellen werden damit ebenso gestrichen wie Kammern im Hochsicherheitstrakt von Gefängnissen. In Rapperswil ist zudem ein ganzes Fenster mit rosafarbener Folie ausgekleidet: Sanft verbreitet sich der Farbton im Raum.

Von der Malerei zum Körper

Karin Schwarzbek agiert hier und in vielen anderen Arbeiten mit ihrer Erfahrung als Malerin. In früheren Ausstellungen – beispielsweise in der Galerie Paul Hafner in St.Gallen – zeigte sie Gemälde in kraftvollen Farben in einer breit abgestuften Palette. Von diesen Bildern ausgehend interessierte sie sich mehr und mehr für die Farbe im Raum und die aufgespannte Leinwand als Objekt. Sie gelangte von dort aus zur Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper und verarbeitet inzwischen bevorzugt Stoffe, die für den Einsatz am menschlichen Körper entwickelt wurden: Schwarzbek montiert eine dunkelgrüne Regenpellerine von einem ebenso grün gestrichenen Wandstück. Sie vernäht leuchtend orangefarbene Sicherheitswesten zu einem Tuch, das sie in den Raum spannt. Die Schnüre sind auf Kniehöhe angebracht: Die Warnfarbe kann ihren Dienst tun und vor dem Stolpern schützen. Über einem blauem Quadrat dehnt sich ein gleich grosses Stück Lycra weit in den Raum hinein. Es unterstreicht die für den Sport entwickelte Elastizität des Stoffes und steht für die Dynamik der Körper.
Immer wieder zeigt sich in der Ausstellung das gute räumliche Gespür der Künstlerin, nicht zuletzt deshalb passt die Ausstellung sehr gut ins Kunst(Zeug)Haus Rapperswil mit seinem schwungvoll gewölbten Dach.