Kilian Rüthemann
by Kristin Schmidt
Wil — Zweihundert Kilogramm Silikon, gegossen zu einem fast zweieinhalb Meter langen Schlauch mit reichlich einem Meter Durchmesser – das ist ein unhandliches, schweres, instabiles Objekt. Es verformt sich, es rutscht weg, es lässt sich kaum greifen, geschweige denn aufstellen. Für Ausstellungen muss es trotzdem bewegt werden. Ist es dann platziert, sind ihm die Tücken des Installierens nicht mehr anzusehen. Für die Kunsthalle Wil hat Kilian Rüthemann jedoch das Handling von ‹Re-Position›, 2020 in den Fokus gerückt. Er hat sieben Personen einer Kunsttransportfirma gebeten, mit dem roten Silikonschlauch zu hantieren, drei Stunden lang und ohne Hilfsmittel wie Spannsets oder Gurte. Daraus entstand eine elfminütige filmische Dokumentation des menschliches Kooperierens angesichts ungewohnter Aufgaben und zugleich eine Arbeit über Gewicht und Dynamik als Eigenschaften bildhauerischer Objekte. Unterlegt ist das Video mit Musik des Zürchers Tapiwa Svosve, aufgenommen in einer Abwasserröhre. Die dramatischen, mitunter repetitiven Klänge korrespondieren mit dem Potential des Scheiterns das ‹Re-Position› innewohnt, müssen doch die Fachleute der Transportfirma wieder und wieder anpacken, aber das Gelingen ist nicht in jedem Moment sicher.
Kilian Rüthemann wandert mit seiner Arbeit regelmässig auf dem schmalen Grat zwischen Kontrolle und Kollaps. Er kennt seine Materialien genau und lotet präzise ihre Balance auf dem Höhepunkt der Fragilität aus. Anschaulich wird dies auch in den beiden Installationen für die Kunsthalle Wil. An der Wand im Erdgeschoss hat der Künstler neun grosse Stahlplatten fixiert und mit einer schwarzen Bitumen-Sand-Mischung bestrichen. Die wenigen Befestigungspunkte erlauben es den Platten, sich von der Wand zu schälen. Sie biegen sich in den Raum hinein, lösen die Wandoberfläche auf, lassen weisse Stellen zurück. Gegenüber stecken zwei Spiralwellstahlrohre in eigens geöffneten Fenstern. Sie halten nur durch ihr Eigengewicht. Die Durchdringung des Gebäudes ist brachial, zugleich zeugt die Geste von grossem räumlichen Verständnis. Rüthemann arbeitet nicht nur die skulpturalen Qualitäten der industriellen Materialien heraus, sondern verändert den Blick auf den gebauten Raum und seine Umgebung: Die Vorhalle wird Teil des Ausstellungsraums, der geflickten Asphaltboden antwortet dem Bitumen an der Wand und die Lattenkonstruktion vor der Fassade den gleichmässigen Wellen der verzinkten Rohre. Alle Elemente werden zur Partnern der Kunst.