Kollaborationen in Appenzell

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum Appenzell zeigt in der Ausstellung «Allianzen» die gemeinsame Arbeit von Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp und Max Bill. Die Kunsthalle Appenzell lädt mit «Möglichkeit Architektur» zum Mitdenken über den öffentlichen Raum ein. Beide Ausstellungen sind eigenständige Projekte und haben doch mit dem Fokus auf produktive Zusammenarbeit eine Schnittstelle.

«Lieber Bill. Mein Relief kann liegend und hängend und von allen Seiten betrachtet werden. wenn ich es an die Wand häng, hänge ich es so, dass die Stäbe unten sind. Die Photo ist natürlich so zu reproduzieren, dass der Schatten unten ist und die Stäbe oben.» Sophie Taeuber-Arp instruiert Max Bill per Postkarte im Frühjahr 1939, wie eines ihrer Reliefs zu installieren sei. Die variable Hängung ist dabei kein Zeichen von Unentschiedenheit, im Gegenteil. Sie zeugt von Taeuber-Arps konsequentem Anspruch als ungegenständliche Künstlerin. Ihr ging es nicht um eine Transformation der gegenständlichen Welt in eine neue Bildsprache, sondern um einen unabhängigen, universellen künstlerischen Ausdruck. Dieses Bestreben eint sie mit Max Bill und Hans Arp. Von letzterem stammt der vielzitierte Satz, nicht die Natur nachahmen zu wollen. Es ging den Dreien nicht ums Abbilden, sondern ums Bilden, ums Hervorbringen wie in der Natur.
Die Ausstellung «Allianzen» im Kunstmuseum Appenzell zeigt die engen künstlerischen Kooperationen zwischen Tauber-Arp, Arp und Bill. Und mehr noch: Das künstlerische Werk ist kaum zu trennen vom gestalterischen und publizistischen. In der Ausstellung werden Plakate präsentiert, Zeitschriften, Briefe, Skizzen, gemeinsame Mappenwerke. Zum allerersten Mal ausgestellt sind die Entwürfe für die sechste Ausgabe von «Plastique», der von Sophie Taeuber-Arp herausgegebenen Zeitschrift für ungegenständliche Kunst. Diese Nummer wurde wegen des plötzlichen, viel zu frühen Todes der Künstlerin 1943 nicht mehr publiziert.
Die gezeigten Werke stammen vor allem aus der Fondazione Marguerite Arp und der Sammlung von Chantal und Jakob Bill. Letztere entwickelte die Ausstellungsidee, für die das Kunstmuseum Appenzell die perfekte Bühne bildet. In den Kabinetten kommen die formal reduzierten Gemälde und Reliefs sehr gut zur Geltung. Dicht gehängte Grafiken wechseln sich ab mit markant in Szene gesetzten Einzelwerken. Eine gelb akzentuierte Wandfläche hebt zwei Kompisitonen von Sophie Taeuber-Arp besonders hervor: Die Künstlerin bringt darin geometrische Elemente in eine rhythmische Ordnung. Dazu tragen auch die sparsam eingesetzten Farben bei.
Aufgrund ihrer früheren Arbeit als Textilentwerferin und ihrer Studien in den Sammlungen des damaligen Industrie- und Gewerbemuseums St.Gallen fand Sophie Taeuber-Arp mitunter zu formal klareren und radikaleren Entwürfen als ihre Künstlerkollegen. Aber es blieb ein Miteinander, wie die Ausstellung zeigt. Selbst dann noch, als Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp aufgrund von Meinungsverschiedenheiten die 1931 gegründete Gruppe Abstraction-Création im Jahr 1934 verliessen – Max Bill blieb noch drei Jahre länger. Die intensive Zusammenarbeit hielt an, ebenso der Gedankenaustausch in intensiven Schriftwechseln. Die Ausstellung ist das Porträt eines produktiven Netzwerkes. Damit kann «Allianzen» gute Impulse liefern für «Möglichkeit Architektur» in der Kunsthalle Appenzell. Dieses parallele Projekt ist weniger eine Ausstellung als eine Plattform, weniger Präsentation als Partizipation und doch ab dem ersten Tag an sehenswert. Im Erdgeschossraum sind Dokumente, historische Fotografien, Geschichten und Anekdoten versammelt. Dachziegel und andere Relikte verweisen auf die ursprüngliche Funktion der früheren Ziegelhütte. Baugerüste mitten im Raum verweisen auf die Gegenwart: Hier soll neues gedacht, hier soll mitgebaut werden an der Zukunft der heutigen Kunsthalle Ziegelhütte. Sie soll als gemeinsamer Kulturort funktionieren. Die populären Schlagwörter lauten: kreativ, inklusiv, interaktiv und dynamisch. Der Denk- und Arbeitsprozess hat längst begonnen, ist aber mit «Möglichkeit Architektur» öffentlich geworden. Das Projekt ist die Einladung mitzugestalten, die Räume zu erkunden und sie sich forschend oder kreativ anzueignen. Das Ergebnis ist offen, die Kunsthalle Appenzell ist es ebenso.