Ein Ausstellungsfenster für die Jungen

by Kristin Schmidt

Frisch von der Kunstakademie: Das Kunstmuseum Appenzell zeigt «Plattform24». Die langjährige Ausstellungsreihe präsentiert junge Künstlerinnen und Künstlern nach ihrem Studienabschluss. Zu sehen sind vielfältige, spielerische und humorvolle Kunstwerke.

Junge Kunst, witzige Kunst, engagierte Kunst: Wer sein Studium an einer Schweizer Kunsthochschulen beendet hat, kann voller Tatendrang ins Künstlerdasein starten. Zwölf der letztjährigen Absolventinnen und Absolventen zeigen im Kunstmuseum Appenzell, was sie können. Sie sind Teil eines ebenso sinnvollen wie erfolgreichen Formats: «Plattform» präsentiert seit 18 Jahren Kunst frisch von den Akademien. Die diesjährige Ausgabe macht zum ersten Mal Halt in der Ostschweiz und hat im Kunstmuseum Appenzell den idealen architektonischen Rahmen gefunden. In jedem der zwölf nahezu gleich grossen Kabinette des Museums ist eine künstlerische Position zu sehen. Ausgewählt wurden die Werke von einem sechsköpfigen Team. Es hat die Künstlerinnen und Künstler seit ihrem Studienabschluss ein Jahr lang begleitet – ein langer, aber lohnenswerter Weg zur ersten musealen Präsentation.

Zum Auftakt Malerei

Die Ergebnisse überzeugen und spiegeln ein breites mediales Spektrum. Den Auftakt macht die Malerei. Anastasia Pavlou zeigt im ersten Ausstellungsraum ein Ensemble aus fünf Werken, die mehr sind als Bilder. Die Künstlerin malt, übermalt, schneidet Stücke der Gemälde aus, dreht sie um, verwendet bedruckte Stoffe, zeichnet auf den Malgrund oder legt ihn in Falten. Lustvoll sucht sie nach dem richtigen Moment: Wann ist der Idealzustand erreicht? Von da aus folgt der nächste Schritt: Die Anordnung im Ausstellungsraum – schliesslich gibt es für jedes Werk nur einen besten Platz. Pavlou hat ihn für ihre fünfteilige Serie gefunden. Das gilt auch für viele der anderen Beteiligten, ganz gleich ob ihre Werke installativ sind oder gemalt, skulptural oder filmisch. Ob sie mit Licht arbeiten, mit Sound oder ganz viele Modelleisenbahnschienen montieren, so wie Leevi Toija.
Der finnische Künstler hängt die Dutzende Miniaturschienen und -weichen auf Augenhöhe und mit Blick zu einem der drei grossen Fenster des Museums hin zu den nahen Gleisanlagen der Appenzeller Bahn. Hier kommt Kunst und Leben zusammen. Indem Toija Dutzende die Gleisstücke auf A4-Blättern platziert, thematisiert er Normierungen und Strukturen in der Spielzeug- und in der realen Welt. Andere Künstlerinnen und Künstler richten ihre Aufmerksamkeit auf die Mehrdeutigkeit der Dinge, auf den Umgang der Menschen mit Nutztieren oder auf das Verhältnis zwischen Freiheit und Kontrolle.

Informationsflut und Traditionen

Der Genfer Yul Tomatala interessiert sich für den aktuellen Umgang mit Fotografien und künstlich generierten Bildern. Er arbeitet seit dem Studium in der Bildredaktion eines Westschweizer Medienhauses. Für die Ausstellung hat er eine grossformatige Installation entworfen, die an Plakatwände erinnert. Das Bild darauf ist in viele kleine Teile zerlegt und zeigt Stapel von Aktenordnern – ein Symbol für die Informationsflut einerseits und die daraus entstehende Erschöpfung andererseits.
Der Rundgang durch die vielseitige Ausstellung endet mit einem humorvollen Schwenk ins Appenzellerland: Marine Aebischer aus dem ländlich geprägten Teil des Kantons Freiburg erkundet die Spannung zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Traditionen. Im Kunstmuseum Appenzell bringt sie mit einem Basslautsprecher ein Set Schellen zum Tönen und zeigt einen stark vergrösserten, transparenten Ouroboros, aber ohne die Ohrschuefe der Sennen: Neue Techniken treffen auf ländliche kulturelle Praktiken. Das ist kein Widerspruch, sondern ein vergnüglicher Kommentar zu zeitgenössischen Lebenswelten.