Hans Krüsi

by Kristin Schmidt

Warth — «Wie sich alles von selbst ergibt, ist erst einmal der Anfang gemacht.» Dieser Satz von Hans Krüsi ist im Kunstmuseum Thurgau zu lesen: Im Abklatschverfahren oder mit gefundenen Motiven, mit Pflanzenteilen als Schablonen oder als integriertes Bildelement fand Krüsi den Anfang für seine Bilder. Von da aus arbeitete er prozesshaft weiter, entwickelte Motivserien, experimentierte mit unterschiedlichen Farbaufträgen und nutzte als Bilduntergrund oft das, was einfach so da war wie Servietten oder Tischsets, Karton oder Packpapier. Denn Krüsis Lebens- und Arbeitswelt war prekär. In ihr ergab sich bei weitem nicht alles von selbst, als der Anfang gemacht war. Er begann 1975 zu malen, da war er – nach verschiedenen schlechtbezahlten Anstellungen – seit einem Vierteljahrhundert selbständig als Blumenverkäufer an der Zürcher Bahnhofstrasse. Über die Malerei gelangte er zu immer neuen Ausdrucksweisen. Er sprayte, klebte, faltete, fotokopierte; er schrieb und zeichnete, mixte Wort und Bild.
Das Kunstmuseum Thurgau zeigt in einer gross angelegten Retrospektive Krüsis vielfältige künstlerische Arbeit. Hauptwerke sind ebenso zu sehen wie noch nie präsentierte Werkgruppen aus dem Nachlass des Künstlers. Toncollagen finden ebenso Platz wie dreidimensionale Bauten. Eine Erfindung Krüsis sind beispielsweise bewegliche Sennenstreifen: Mit einer selbst konstruierten Apparatur liess sich eine lange Papierbahn abrollen. Auf dieser folgte eine gemalte Kuh der anderen, jede läuft ins Bild hinein und wieder hinaus – Krüsis Version des traditionellen Appenzeller Sujets.
Das Appenzellerland und seine Motive, vor allem die Tierwelt mit Kühen und Sennenhunden, sind ein Schwerpunkt in seinen Werken. Andere Themenfelder sind Pflanzen, Vögel, Mitmenschen  oder sein Quartier Linsebühl in St.Gallen. So dokumentiert er beispielsweise auf hintersinnige Weise die urbanen Veränderungen im baulichen Gefüge.
1981 änderte sich Krüsis Leben schlagartig mit einer Ausstellung in der Buchmann Galerie in St.Gallen. Die anschliessende Kommerzialisierung seines Schaffens wurde von Weggefährten kritisch beurteilt. Auch dieses Kapitel wird im Kunstmuseum Thurgau nicht ausgeklammert. An Krüsis Eigenständigkeit, seinem Witz und seiner Treffsicherheit änderte sich dadurch aber nichts. Der Künstler blieb sich, seinen Motiven und Materialien treu, nach wie vor galt, was er einst auf einer Arbeit notierte: «Kein Esel zu gross, dass er nicht in die Migrosserviette passt.»

→ ‹Hans Krüsi – Jeder kann nicht machen was er will›, Kunstmuseum Thurgau, bis 9.6.
↗ kunstmuseum.tg.ch