GAFFA

by Kristin Schmidt

Teufen — «Thuja» ist die perfekte Ausstellung für einen Sonntag: Wenn die Rasenmäher schweigen und der Gasgrill bereit steht. Wenn die Arbeitsroutine unterbrochen ist und sich das Leben hinter hohen Umzäunungen und Hecken abspielt. Dann spiegelt «Thuja» auf fast schon unheimliche Weise die Welt der Vorgärten und Einfamilienhäuser, der geplasterten Zufahrten und Car Ports: Dort stört nichts das Bild. Weder Laub noch Abfall liegt auf der Strasse, dort sind keine Tags an Verteilerkästen gesprüht, aber es treffen sich auch keine Kinder ausserhalb der Grundstücke und bemalen die Strasse mit Kreide. Ballspielen ist ohnehin unerwünscht, der Fussball könnte in der nachbarlichen Hecke irreparable Schäden hinterlassen. Denn die Thuja wächst langsam. Sie stammt aus den sumpfigen Wäldern Nordamerikas und wächst dort bis zu Höhen von 70 Metern heran. Dabei kann sie fast 200 Jahre alt werden und Stämme entwickeln mit mehreren Metern Durchmesser. Dagegen wirken ihre Schweizer Verwandten zierlich. Gemessen jedoch an den Dimensionen eines Wohnquartieres gleichen sie undurchdringlichen, immergrünen Mauern: Abgrenzung und Privatsphäre dank eines Gehölzes, das einst als Lebensbaum bekannt war.
Das Kollektiv GAFFA, bestehend aus Wanja Harb, Linus Lutz, Dario Forlin und Lucian Kunz, hat die Thuja-Mauern ins Zeughaus Teufen geholt. Nicht aus Biomasse, sondern aus Plastik. Das ist nicht nur ein Zugeständnis an die konservatorischen Anforderungen eines Museumsbetriebes, sondern die Steigerung der Vorgartenabsurditäten. Schliesslich wirken künstliche Thuja laut der unterschiedlichen Anbieter «immer gepflegt», «bieten täuschend echte Optik» und sind ein «dekorativer Hingucker». Es gibt sie mit Echtholzstamm, Dekoraktionsleitfaden und in UV-beständig.
GAFFA verbaut diese Imitate zu einem Labyrinth, das sie anreichern mit Standardbriefkasten, Abfallkübel, Hundekotbeutelspender und Stromverteilerbox – unbesprayt selbstverständlich. GAFFA bricht an keiner Stelle die normierte Vorstadtidylle, sondern verlässt sich für die Brüche zu recht auf den Kontext: Das Kollektiv ist bekannt für seine Arbeiten an der Schwelle zwischen Critical Design und Kunst. Wenn es ausgerechnet in Teufen, eine der steuergünstigsten Gemeinden der Ostschweiz mit entsprechender Wohnbebauung, einen künstlich, künstlerischen Thuja-Parcours in den Ausstellungsraum stellt, kommentiert GAFFA perfekt das Umfeld – nicht nur an einem Sonntag.