Liliana Moro

by Kristin Schmidt

Vaduz — Im Winter ist es mitunter glatt. Auf dem Trottoir gefriert die Nässe, sich gehend fortzubewegen wird schwieriger. Die Füsse wollen sorgfältig gesetzt sein, bewusst und entschieden. So wie im dritten Ausstellungsraum im Kunstmuseum Liechtenstein. Liliana Moro hat auf dem Boden zerbrochenes Glas ausstreuen lassen. Unwillkürlich verlangsamt sich der Schritt. Die Glasstücke brechen in immer kleinere Scherben. Bei jedem Tritt splittert und knirscht es. Bloss nicht fallen! Gehen ist hier kein selbstverständlicher Akt mehr. Liliana Moro verlangt eine entschiedene Handlung. Dieser Anspruch zieht sich durch das gesamte Werk der italienischen Künstlerin. Sie fordert genaues Hinhören und will dem Gehen eine neue Intensität verleihen: ‹Andante con moto› nennt sie ihre Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein. Die der Musiksprache entlehnte Bezeichnung lässt sich übersetzen mit «gehend mit beschleunigter Bewegung». Damit umreisst Liliana Moro zwei Schwerpunkte ihrer Arbeit: Das Gehen und den Klang.
Ein grosses Ohr aus Neonröhren leuchtet im Foyer. Ein Pfiff ertönt im Treppenaufgang. Aus zwölf, kreisförmig aufgestellten Lautsprechern erklingt die Stimme der Künstlerin, eine Performance beschreibend. Im dritten Ausstellungssaal ertönen Varianten des Volksliedes ‹Bella Ciao›. Das Spektrum der Klänge ist breit, die Aufgabe ist stets die gleiche: Höre hin! Liliana Moro forciert intellektuelle, emotionale und physische Beteiligung. ‹La Passegiata›, 1988 beispielsweise besteht aus Dutzenden Stahlplatten mit je drei Rädern. Die Platten sind circa fussgross und ähneln Rollschuhen. Aber sie können nicht am Fuss befestigt werden und sind miteinander verkettet. Sie zu benutzen wäre riskant und dennoch reizten sie das Publikum bereits bei früheren Präsentationen, sie auszuprobieren: Die Herausforderung annehmen – das ist im Sinne Liliana Moros und nicht immer mit Gefahr verbunden. So initiiert die Künstlerin Begegnungen und Gespräche an provisorischen Tischen unter bunten Sonnenschirmen – die allerdings etwas verloren wirken: Sehr grosszügig sind die gezeigten Arbeiten im Obergeschoss des Kunstmuseum Liechtenstein ausgebreitet. Etwas weniger Raum hätte für mehr Dichte und Konzentration gesorgt. Am richtigen Platz ist die Ausstellung dennoch: Das Museum besitzt die grösste Arte Povera-Sammlung nördlich der Alpen und Moro gehört zur nachfolgenden Generation. Sie studierte bei Luciano Fabro und entwickelte ihre Kunst in der direkten Auseinandersetzung mit der damals bereits arrivierten Arte Povera.