Liz Craft

by Kristin Schmidt

Appenzell — Lassen Sie in einem Klassenzimmer oder einem Wartezimmer eine Zeitung offen auf dem Tisch liegen. Legen sie einen Stift daneben. – Wenn in der Zeitung Persönlichkeiten abgebildet sind, werden diese in Kürze neue Schnurrbärte, Pickel oder Zahnlücken erhalten. Solches Gekritzel mag als infantil gelten oder als respektlos, in jedem Falle aber ist es Kommunikation. Es drückt Haltungen aus, Behauptungen oder Gestaltungswillen. Liz Craft stellt bekritzelte Porträtfotos an den Anfang ihrer Ausstellung im Kunstmuseum Appenzell. Es sind junge Gesichter, denen mit breiten Strichen neue Wimpern oder Frisuren verpasst worden sind. Die Bilder stecken in übergrossen Metallherzen, die wie Kettenanhänger auf- und zugeklappt werden können. Die Arbeit repräsentiert wichtige Aspekte im Werk Crafts: Sie bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Fläche und Raum. Sie spielt mit populärkulturellen Versatzstücken und analysiert Kommunikationswege und -weisen.
Ein in fast allen Kabinetten des Museums wiederkehrendes Element sind Sprechblasen. Ihre Oberfläche besteht aus Keramikfliessen. Craft entdeckte dieses Material für sich, als sie ihre Atelierfläche verkleinern musste: Dank der Plättli werden die Arbeiten skalierbar und mit ihrem Reliefcharakter funktionieren sie zwischen Zwei- und Dreidimensionalität. Oft bleiben die Sprechblasen leer, mitunter tragen sie Objekte wie Kerzen, Pilze oder eine Rolle Toilettenpapier mit Halterung. In manchen steht die Aufforderung «Suck it Hippie!». Ob drastische Sprache oder Gebrauchsgegenstand – Liz Craft kommentiert das politische Geschehen und Geschlechterverhältnisse, Alltagsbeobachtungen und ihre eigenen Beziehungsnetze. Sie lässt auf Tischen Penisse wachsen, einem Einhorn den Schweif durch ein Skelett flechten und den Geist aus der Lampe entweichen. Sie verbindet Münder mit Ketten oder bestückt sie mit Geld. Barbusige Frauen hauen sich Sätze wie «What Are You Going To Do About It?» und «Go Fuck Yourself» um die Ohren oder breiten sich lasziv auf gefliessten Flächen aus. Das alles ist spielerisch, lustvoll und salopp: Die in Berlin lebende kalifornische Künstlerin hat ihren Spass und transportiert ein grosses Stück Nonchalance in den europäischen Kunstbetrieb.