Eine Ausstellung als Baum
by Kristin Schmidt
In der Kunsthalle Appenzell ist die erste institutionelle Einzelausstellung von Zora Berweger zu sehen. Die Berner Künstlerin mit Ausserrhoder Wurzeln präsentiert ihre Arbeit als raumübergreifenden Organismus.
Zeichensysteme sind allgegenwärtig und lebenswichtig. So informieren Piktogramme über Fluchtwege, Radioaktivität oder die Gefahr eines Stromschlags. Sie werden überall auch ohne Worte verstanden. Aber Zeichen können noch einfacher und universeller sein: Zora Berweger verwendet ein lineares Vokabular. Seit einigen Jahren arbeitet die Künstlerin mit Salzteig. Getreide, Wasser, Salz – mehr braucht sie nicht für Reliefs mit einer archaischen Ausdruckskraft. Sie drückt mit den Fingern Punkte, Kreise oder Dreiecke ins weiche Material, lässt die kleinen Reliefs trocknen und betont anschliessend mit aufgesprühter Farbe deren raue Oberfläche und die rudimentären Formen. Die Werkgruppe wird in der Kunsthalle Ziegelhütte in Appenzell im mittleren Stockwerk gezeigt. Damit wird ihr Charakter als Bindeglied betont: Die Reliefs stehen an der Schnittstelle zwischen zwei- und dreidimensionalen Arbeiten einerseits und verweisen andererseits mit ihrem reduzierten Zeichensystem sowohl auf die gegenständlichen als auch auf die ungegenständlichen Werke der Künstlerin.
Zora Berweger inszeniert ihre Ausstellung wie ein Gewächs. Das Erdgeschoss wird zum Wurzelraum, das mittlere Stockwerk zum tragenden Stamm und das oberste Stockwerk zur Baumkrone. Die 1981 in Bern geborene und seit 2006 in Leipzig arbeitende Künstlerin will mit diesem Konstrukt an die Funktionen einer Pflanze anknüpfen. Im Erdgeschoss zeigt sie eine raumfüllende Installation mit minimalistischen Neonzeichen. Sie stehen im Sinne der Funktion von Wurzeln für den inhaltlichen und formalen Ausgangspunkt der Ausstellung. Den Stamm und somit das darüber liegende Stockwerk versteht Berweger als Ort, wo die Nährstoffe gebündelt werden und die Kräfte zusammenfliessen. Hier zeigt die Künstlerin ausser den Salzteigreliefs ein Gemälde aus dem Jahr 2012 und Objekte aus Materialien wie Gips, Pappmaché, Draht oder Bast. Präzise tariert sie die Beziehungsnetze zwischen Einzelwerken aus und öffnet den Raum für universelle Erzählungen. Spirituelles wird angedeutet und Ursprüngliches, Erdenschweres und Kosmisches. Mit letzterem leitet Berweger motivisch über zum obersten Stockwerk, das im Sinne der Baummetapher für die Krone steht und gleichzeitig für Kreisläufe. So sind Objekte in Form von Schoten, Körnern und Kapseln auf dem Boden platziert – Sinnbilder für gespeicherte Energie und das Potential zu Erneuerung. Ein Neonzeichen verbindet diese Etage inhaltlich und formal schlüssig mit dem Erdgeschoss.