Drastisches und Kosmisches in Appenzell
by Kristin Schmidt
Das Kunstmuseum und die Kunsthalle Appenzell zeigen in zwei Einzelausstellungen das Werk von Zora Berweger und von Liz Craft. Während die Schweizer Künstlerin den Blick auf das spirituell Kosmische richtet, bleibt die Kalifornierin nah am Irdischen.
Zwei Frauen, beide sind Künstlerinnen, beide leben sie nicht mehr in ihrem Geburtsland, sondern inzwischen in Deutschland, beide stellen nun in Appenzell aus. Zwischen Zora Berweger und Liz Craft gibt es biografische Gemeinsamkeiten und künstlerische Parallelen. Zugleich sind beide Positionen sehr eigenständig und erhalten nun zu recht jede eine eigene Einzelausstellung. In der Kunsthalle Appenzell sind die Arbeiten von Zora Berweger zu sehen. Die Künstlerin wurde 1981 in Bern geboren, hat ausserrhodische Wurzeln und lebt seit 2006 in Leipzig. In der Schweiz hat sie regelmässig ausgestellt, beispielsweise 2014 im Nextex in St.Gallen.«Greeting the Unseen» ist ihre erste institutionelle Einzelausstellung. Berweger vergleicht sie mit einem Gewächs: Im Erdgeschoss der Kunsthalle siedelt sie den Wurzelraum an. Hier formuliert sie den inhaltlichen und formalen Ausgangspunkt.
Linien aus Neonschrift
Was in der Natur organisches Geflecht ist, drückt sich als raumfüllende Installation aus Neonzeichen aus. Die Künstlerin hat ihr eigenes minimalistisches System aus vertikalen und horizontalen Linien entwickelt. Es leuchtet aus dem Panoramafenster hinaus ins Dorf, spiegelt sich in der grossen Scheibe und bildet spontane Entsprechungen zu den Gipfeln und Graten des Alpsteins. Damit stehen die Zeichen für den Anspruch der Künstlerin, den Blick auf die ganze Welt zu richten – bis ins Kosmische hinaus. Dies zeigt sich auch in den Reliefs im ersten Obergeschoss. Sie tragen die Sonne im Zentrum. Ringförmig breiten sich Wellen und Strahlen aus, auch sie sind durchsetzt mit Zeichen. Dieses Stockwerk symbolisiert im Bild des Baumes den Stamm und damit jenen Ort, wo die Kräfte zusammenfliessen. Darüber folgt die Krone: In der dritten Etage platziert Zora Berweger Objekte, die Samen, Kapseln und Schoten gleichen: Sie können als Hinweis auf die Lebenskreisläufe gelesen werden.
Relief als Schnittstelle
Reliefs sind ein wiederkehrendes Element im Werk der Künstlerin. Sie verbinden das frühere malerische mit dem heutigen dreidimensionalen Werk. Sie sind die Schnittstelle zwischen Fläche und Raum. Genau das macht sie auch für Liz Craft interessant. Beide Künstlerinnen interpretieren das Thema Relief jedoch sehr unterschiedlich. Zora Berwegers Reliefs sind aus Salzteig – einem einfachen und leicht zu bearbeitenden Material. Liz Craft hingegen arbeitet mit Keramik. Die 1970 in Los Angeles geborene Künstlerin musste ihr grosses Atelier räumen und gestaltet seither Reliefs aus Fliessen. Auf diese Weise kann sie in kleineren Formaten arbeiten und dennoch nah an der Dreidimensionalität bleiben. In der ganzen Ausstellung hängen die Reliefs aus Fliessen, zumeist in Form von Sprechblasen. Darauf steht beispielsweise «Suck it Hippie» oder eine Rolle WC-Papier illustriert den sogenannten Brexit. Kommunikation ist das verbindende Thema dieser Werke wie auch der dreidimensionalen Objekte, die Craft nach wie vor erarbeitet. In den Kabinetten des Kunstmuseum Appenzell zeigt sie Figurinen mit Köpfen, die an das Computerspiel Pac Man erinnern, lebensgrosse Marionetten mit Köpfen aus Pappmaché, denen sie Münder und sechs Augen aufklebt, ein Einhorn, dessen Schweif von einem Skelett gekämmt wird, oder ein ramponiertes Velo. Es lehnt an einem übergrossen Penis und nimmt damit den«Ständer» auf vulgäre Weise wörtlich: Die künstlerische Sprache von Craft ist humorvoll, ausdrucksstark und zuweilen drastisch. Mit Witz und Verve analysiert sie Alltägliches und Politisches.