Clemens von Wedemeyer – zwischen Fiktion und Realität

by Kristin Schmidt

Ob Dokumentar- oder Spielfilm – das Kino öffnet Fenster in andere Wirklichkeiten, die es nur zweidimensional abbildet. Clemens von Wedemeyer führt die gefilmten Welt in den Raum zurück und verbindet Fiktion und Realität. Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt Werke des Künstlers aus der eigenen Sammlung erweitert um zusätzliche Leihgaben.

Vaduz — Der Knochen fliegt. Er fällt nie herunter. Stattdessen ein Match Cut: Ein Raumschiff umkreist die Erde. Diese Szene aus Stanley Kubricks «2001: Odyssee im Weltraum» ist legendär. Die Wandlung des als Mordwerkzeug benutzten Knochens in einen Flugkörper, der Sprung durch Raum und Zeit wurde vielfach zitiert und bietet noch immer Stoff für philosophische und künstlerische Exkurse. Clemens von Wedemeyer interessiert sich besonders für die Verschränkung des realen und fiktiven Raumes im Film und für die filmische Reduktion des dreidimensionalen Raumes zugunsten eines neuen Erzählraumes. In seiner Arbeit ‹A Recovered Bone (2001: A Space Odyssey)›, 2015 geht er der Frage nach, wie das Verschwinden des Knochens neu interpretiert werden kann: Aus der Filmsequenz retuschiert er der Knochen weg – nur der parabelförmige Schwenk in den Himmel ist noch zu sehen. Das Video ist als Loop angelegt, so fährt der Blick wieder und wieder in den Himmel hinauf. Vor der Projektionswand liegt auf einem Sockel ein unförmiges Gebilde: Der Knochen ist doch gelandet. Seine Form wurde auf der Basis der Kubrickschen Filmbilder errechnet und in 3D ausgedruckt. Doch das Objekt gleicht nur vage einem Knochen. Von Wedemeyer findet damit ein treffendes Bild für die Differenz von Fiktion und Wirklichkeit. Seit langem bewegt sich der 1974 in Göttingen geborene Künstler sich zwischen Kunst und Kino. Er entwickelt non-lineare Erzählungen, in denen sich Dokumentar- und Spielfilm verschränken. Beispielhaft dafür ist ‹Otjesd›, 2005: Einerseits werden Szenen mit russischsprachigen Ausreisewilligen vor der deutschen Botschaft in Moskau gezeigt, die jedoch in Berlin nachgestellt wurden. Andererseits ist das «Making of» dieses Filmes zu sehen, in das tatsächlich Aufnahmen aus Moskau integriert sind. Der Künstler geht von einem selbst beobachteten Ereignis aus, stellt dieses filmisch nach und thematisiert diesen Prozess in einer weiteren Erzählebene. Von Wedemeyer ermöglicht es, zwischen den Projektionen hin- und herzuwechseln und öffnet damit den Kinoraum. Die Leinwand ist nicht länger das zweidimensionale Fenster in eine filmische Realität, sondern ein räumliches Element. Eingebettet ist diese Doppelprojektion im Kunstmuseum Liechtenstein in eine Präsentation drei weiterer zwei- und dreidimensionaler Arbeiten des Künstlers. In ihrer Dichte und Konzentration webt die Ausstellung ein Netz zwischen den Werken und inhaltlichen Bezügen.