Kulturlandsgemeinde 2023 – Der Sennenhund als Sibesiech

by Kristin Schmidt

Steff Signers «Pläss» kann mehr als Bellen, Kühe hüten und den Hof bewachen. Er ist die Projektionsfläche für Unaussprechliches und Menschliches.

Der Hund, ein Stück Heimat: Der Bläss gehört ins Appenzellerland. Hier ist er Arbeitstier, Hofhund, Haustier. Er treibt die Kühe an, hält sie auf dem Weg, bewacht das Grundstück, begleitet seine Menschen und verbellt die anderen. Ausserdem schwingt sich der Bläss von der Kinderschaukel, trägt seine Artgenossen huckepack, tanz und kugelt durch die Welt – wenn Steff Signer ihn zu Papier bringt. Der Bläss kann viel, in Signers Bildern kann er noch mehr. Hier heisst er «Pläss» und ist ein Tausendsassa, ein Sibesiech, aber einer mit Herz und Seele. Steff Signer lässt ihm die Tränen aus den kleinen roten Augen kullern, Luftsprünge vollführen oder ins sprichwörtliche Unglück stürzen. Er ist nicht länger der Sennenhund mit Posthornschwanz, sondern ein universales Wesen. Das funktioniert auch dank der Reduktion: Steff Signer setzt seine «Pläss» aus wenigen markanten Formen und Stricken zusammen und verzichtet auf dreidimensionale Effekte. Er greift auf ein Formenrepertoire zurück, das er bereits als 14jähriger Kantonsschüler am Beispiel einer Katze und eines Stiers entwickelt hat: Der Körper ist als schwarze Fläche dargestellt, die Beine sind schmale Striche und der Kopf ist ein gleichseitiges Dreieck. Dieses ist beim «Pläss» gelb. Darin sitzen zwei rote Punkte für die Augen und ein etwas grösserer für die Schnauze. Ohren und Schwanz sind ebenfalls schwarze Striche.
Mehr braucht ein «Pläss» nicht, um sich als Identifikationsfigur zur Verfügung zu stellen. Er agiert als der Hofnarr, der sagen darf, was der Etikette widerspricht. Er bricht Tabus und legt seine eigene, oft melancholische Gefühlswelt offen dar. Steff Signer schreibt dem «Pläss» die Aussprüche, Gedanken und Flüche direkt ins Bild. Mitunter greift er dabei aufs Jiddische zurück, das er als kraftvolle Sprache schätzt. Text und Motive sind eng verflochten und mit Ornamenten ergänzt. Oft sitzt die Schrift auf eigens platzierten Farbstreifen oder -feldern. Sie prangt mitten im Bild oder rahmt die Motive. So verflechten Steff Signers Bilder Elemente aus der Volkskultur mit solchen aus Graphic Novels und der Naiven Kunst. Wiederholungen und Reihungen spielen eine wichtige Rolle. Der Bläss tritt sowohl als Solist, als auch im Rudel auf oder in Formationen, die an Alpaufzüge erinnern. Er beherrscht das Bild als monumentale Form oder wuselt in Miniaturgrösse darin herum. Daneben treffen zarte Muster und getüpfelte Linien auf geometrische Flächen in starken Farben. Letztere nehmen Bezug auf die gelben Hosen und roten Westen der Sennen, auf das Blau, wie es die Bergseen spiegeln. Der schwarze ovale Körper des «Pläss» hingegen steht für das schwarze Gefühl, wie es sich auch im Appenzellerland einstellen kann: «Pläss»-Bilder transportieren das Brauchtum und die Landschaft, die Verbundenheit zwischen Menschen und Tieren, die Gemütszustände und Lebenshaltungen auf prägnante, unmittelbare Weise. Steff Signers künstlerischer Ausdruck steht in der Tradition naiver Malerei aus dem Hinterland. Mit einfachen Materialien und wenigen Farben, mit Geist und guter Beobachtungsgabe bringt er Situationen zu Papier, die ihre Wurzeln Appenzellerland haben, aber weit darüber hinaus verstanden werden. Kristin Schmidt

Stefan Steff Signer ist 1951 in Hundwil geboren und lebt in Herisau. Er ist Komponist und Musiker, Schriftsteller und Maler.