Kulturlandsgemeinde 2023 – Duftende Zedernoten

by Kristin Schmidt

Die Kulturlandsgemeinde heimatet. Und marc norbert hörler entwickelt eigens dafür duftende Installationen.

notes on cedar, 2023
olfaktorische atmosphäre
zedernholz, bergamotte, yuzu, vetiver, wachholder, myrrhe

rugguseli (ace of swords, dandelions, song for tenderness), 2023
audio, 60 min
komposition/stimme—marc norbert hörler
musikproduktion/sound design—pablo giménez arteaga

the smoke in our nostrils, 2023
olfaktorische atmosphäre
weihrauch, oud, tabak, myrrhe, zedernholz, fichte, lavendel, pinie

Gerüche tragen Bilder in sich. Sie haben die Kraft, Jahrzehnte zu überbrücken und längst beiseite geschobene Erinnerungen wieder hervorzurufen. Gerüche können mühelos Gedanken, Gefühle und einst Gesehenes transportieren. Ist dieses Potential der Gerüche sogar noch grösser? Sind Gerüche auch mit Identitäten, historischen Ereignissen und gesellschaftlichen Realitäten verbunden? Wann wird ein Geruch als Duft wahrgenommen? marc norbert hörler erforscht Gerüche. Für die Kulturlandsgemeinde 2023 hat marc eigens zwei Düfte komponiert und inszeniert damit unterschiedliche olfaktorische Atmosphären. «the smoke in our nostrils» spannt eine Klammer vom Dachgeschoss des Zeughauses bis ins Untergeschoss. Während zuoberst ein Duft verströmt wird, der seine Noten über alle Etagen hin entfaltet, erklingt im Kellergeschoss eine Soundspur. Für diese hat marc norbert hörler eigene Gedichte vertont, spielt sphärische Klänge ein und singt Rugguseli. Die Gedichte spiegeln eine hybride Realität: sie speisen sich aus alten Liedern und Zaubersprüchen und verschmelzen sie mit zeitgenössischer Lyrik. Für die olfaktorische Atmosphäre kreierte marc norbert hörler einen heuartigen Duft mit Kräuternoten und einer rauchigen, verbrannten Komponente. Der Titel dieser Sound- und Duftinstallation bezieht sich auf eine Aussage der Neopaginistin Starhawk über den Geruch der Hexenverbrennungen, der noch immer in unseren Nüstern hänge. marc norbert hörler setzt sich in seiner aktuellen Arbeit insbesondere mit den Hexenverbrennungen in Appenzell Innerrhoden auseinander. Im Zeughaus Teufen verweist marc beispielsweise mit violettfarbigen Fensterfolien und dem dadurch violett erscheinenden Licht im Treppenhaus auf okkulte Themen, zugleich ist diese Farbe queer aufgeladen.
Mit dem Werkbeitrag der Innerrhoder Kulturstiftung 2021 erforscht marc okkulte Praktiken, Zaubersprüche und Hexenprozesse und recherchiert im dortigen Landesarchiv in Protokollen des geheimen Rates und zu Zeugenaussagen. Diese Forschungen und Recherchen werden in «hecatan lines» mit Elementen der Volkskultur und einer queeren, globalen Perspektive verbunden. Das Werk ist derzeit ausgestellt im Kunstmuseum Appenzell. Es führt Gesang, Duft und Sprache zusammen. Alle drei Ausdrucksformen sind vergänglich und sind auch in magischen oder religiösen Zusammenhängen unentbehrlich. Für das Zeughaus Teufen hat marc norbert hörler diese Arbeit transformiert und dabei auch das diesjährige Thema der Kulturlandsgemeinde integriert. Sie widmet sich der Erzählung von Heimat. Auch dabei entfalten Düfte eine grosse Kraft: Sie evozieren Stimmungen, Gefühle und Erinnerungen auch in Bezug auf Herkunft oder Verbundenheit mit einer Landschaft, einem Ort, einer Szene oder Gruppe. hörler arbeitet dies auch mit «notes on cedar» heraus. Diesen Duft entwickelte marc eigens für die Bar «El Gato Muerto» von Barbara Signer und Michael Bodenmann. Die kleine nomadisierende Bar macht für die Kulturlandsgemeinde Station in Teufen. Mit ihrer Einrichtung, der Enge, den Fotografien, japanischen Zigarettenschachteln und vielen anderen Dingen aus dem Reisefundus von Signer und Bodenmann bezieht sie sich auf die kleinen Bars in Tokyo, in denen nach dem langen Arbeitstag eingekehrt, getrunken und geraucht wird. Letzteres ist hierzulande nicht mehr erlaubt, damit fehlt ein wichtiger olfaktorischer Faktor in dem kleinen Raum. Stattdessen bringt marc norbert hörler eine reiche Duftkomposition ins Spiel: «der duft von zedernholz trägt zitrische und frische bis würzige elemente in sich. zusammen mit zitrischen aspekten von bergamotte und yuzu ist der duft in den holzigen, harzigen und trockenen aspekten von vetiver, wacholder und myrrhe geerdet.» Die zitrischen und holzigen Noten übertragen sich auf die Polster und das Holz in der Bar, gegenseitig durchdringen sich die alten, längst eingelagerten Gerüche und der neue Duft. Diese Symbiose von hier und heute, von Ferne und früher weckt für die Einen ein vertrautes Gefühl, für die anderen schwingen Fremde oder Sehnsüchte mit: Düfte können Geschichten erzählen, sie überbrücken nicht nur Zeiten, sondern auch riesige geographische Entfernungen.

marc norbert hörler (*1989, dey/er, Appenzell) lebt und arbeitet zwischen Appenzell und Berlin. marc studierte Bildende Kunst (BA) am Institut Kunst Gender Natur an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel (2013–2016) und Art Praxis (MA) am Dutch Art Institute in Arnhem (2018– 2020).