Andrea Ehrat, Dorian Sari
by Kristin Schmidt
Schaffhausen — Kontraste prägen das Bild: Weiss kontra Schwarz. Wandarbeiten kontra Plastiken auf einem zentralen Sockel im quadratischen Raum. Gegenständliche Abbilder und Objekte kontra abstrahierte oder abstrakte Formen. Die Arbeiten von Dorian Sari (1989) und Andrea Ehrat (1971) haben wenig Gemeinsamkeiten. Sie in einer Ausstellung miteinander zu kombinieren, ergibt dennoch Sinn. Das Ausstellungsformat «DOPPIO» im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen entlehnt seinen Titel dem doppelten Espresso, und so wie dort das zweifache Koffein enthalten ist, wirkt auch die Zusammenschau der Positionen für beide als Verstärker von Form und Aussage. Andrea Ehrats Arbeitsmaterial ist Gips. Ein wiederkehrendes Element sind abstrahierte, meist einzelne, weibliche Brüste. Sie werden ragen hoch auf oder sind zu einer Dolde verwachsen, werden mit Seilen und Stricken aus Naturmaterialien gebündelt, geknebelt, abgebunden. Auf den menschlichen Körper beziehen sich auch die verlängerten, deformierten Gliedmassen. Hier wie bei einem Haus auf Schlittschuhkufen oder auf einem Knie setzt Ehrat deutliche Referenzen an den Surrealismus. Die in Zürich lebende Künstlerin mit Schaffhauser Wurzeln bringt ihre Gedankenwelt in dreidimensionale Form und liefert dennoch allgemeingültige Kommentare zu den Zwängen und der Fragilität der menschlichen Existenz. Hier findet sich eine Schnittstelle zu Dorian Sari. Der in der Türkei geborene, in Basel und Genf lebende Künstler zeigt beispielsweise eine schwarze Lederjacke, der eine Pistole im Rücken sitzt, oder die zehnteilige Fotoserie «Surrender»: Ein Mann trägt eine Mütze mit einem kleinen Propeller. Letzterer ist in verschiedenen Positionen zu sehen, so als könne er sich drehen, aber der Mann hebt nicht ab. Zu stark ist die Erdhaftung, Leichtigkeit und Fliegen bleiben eine Utopie. Der zu einer monumentalen, schwarzen Fläche erweiterte Oberkörper unterstützt diese Schwere, während sich durch die Reihung das im Titel genannte «Aufgeben» immer aufs Neue wiederholt. Auf noch fatalere Weise der Schwerkraft unterworfen ist der an einem Fuss aufgehängte Mann: In einem Schwarzweiss-Video baumelt er kopfüber endlose sieben Minuten fast unmerklich langsam. Das Individuum ist ausgeliefert. Aber hier wie bei Ehrat wird es in einer starken Ästhetisierung gezeigt. Die Reduktion auf weiss in den Arbeiten der Künstlerin und auf schwarz in jenen des Künstlers, die Entrücktheit trotz der auf das Individuum oder den Körper einwirkende Kräfte sind die Schnittstelle zwischen beiden Werken.
→ Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, bis 17.9.
↗ www.allerheiligen.ch