Erstens, zweitens, unendlich

by Kristin Schmidt

Barbara Signer verwandelt die Kunsthalle Arbon in einen Parcours der Möglichkeiten. Sie inszeniert Portale und verwandelt die reale Welt in einen magischen Vergnügungspark.

Portale sind Tore zu anderen Welten: Goldene Ringe öffnen Durchgänge zu weit entfernten Orten, auf dem Gleis Neundreiviertel treffen sich Zauberschüler und in einem Kleiderschrank beginnt das magische Land Narnia. Die Gestalt der Portale ist ebenso vielfältig wie ihre Macht, aus der Realität herauszuführen. Das funktioniert in Romanen, Filmen oder Computerspielen genauso wie in der Kunst. Es ist alles eine Frage der Vorstellungskraft. Darauf vertraut Barbara Signer in ihrer aktuellen Ausstellung. Die Künstlerin hat in der Kunsthalle Arbon vier Portale aufgestellt und sie der Unendlichkeit gewidmet. Aber wie sollen ein Bogen aus Luftballons, ein Teich, ein Prisma mit Strassenlaternen und eine Bank unter eine Blume in die Ewigkeit führen? Aus einiger Entfernung wirken diese Objekte etwas verloren in der riesigen Lagerhalle mit ihrem schroffen Asphaltboden, den Stahlträgern und Stützen. Das ändert sich rasch beim Näherkommen: Diese Präsentation ist nicht für einen festen Standort entwickelt, sondern will erkundet werden. Erst dann entfaltet sich die besondere Stimmung zwischen Unterhaltung und Verlorenheit, zwischen Vergnügungspark und Endzeitkulisse.

Teich statt Kuchentafel

An den Anfang stellt die Künstlerin ein Tor aus Luftballons. Deren zarte Farben verheissen unbefangene Festlaune, aber statt auf eine Kuchentafel fällt der nächste Blick auf einen tiefschwarzen Teich. Eine einsame Strassenlaterne spiegelt sich in der glatten Wasseroberfläche. Jetzt bloss nicht hineinfallen, vielleicht führt dieses Portal in eine andere Welt? Vielleicht gibt es kein zurück? Besser weiter, zum nächsten Portal. Kopfüber spiegelt es sich bereits im Teich. Auch dieses Objekt ist rätselhaft. Lilafarbene Verstrebungen bilden ein dreieckiges Gehäuse. An den Aussenseiten befinden sich auch hier Kandelaber. Doch was beleuchten sie? Dort ist keine Strasse und kein Treffpunkt. Auch das Zentrum des Bauwerkes lädt nicht zum Verweilen ein. Durch den dreieckigen Grundriss erzwingt es eine Entscheidung: nach rechts, nach links oder zurück? Barbara Signer gibt den Weg nicht vor. Ihre Ausstellung ist ein Parcours der Möglichkeiten und Übergänge. Eines führt zum nächsten, durch die präzise Gestaltung bietet jedes der gezeigten Werke den Anreiz weiterzuschauen und sich weiterzubewegen.

Ein magischer Steinhaufen

Die Künstlerin kombiniert Elemente aus der realen Welt und eigens entwickelte Objekte. Sie verwandelt Bekanntes in Ungewohntes, fügt zusammen, was bis dahin keine Gemeinsamkeiten hatte, ändert Grössenverhältnisse und erfindet neue Farben. Die berühmte «Endlose Säule» von Constantin Brâncuși beispielsweise hängt in Arbon als Halskette von den Dachträgern. Als Kette ist sie viel zu gross und aber gemessen am rumänischen Vorbild ist sie winzig. Überdies sind die Kettenglieder hellblau und stehen damit in eindrücklichem Kontrast zu den Rostfarben der Halle.
«Cairn» hat die Künstlerin aus Steinen von einem Felssturz am Calanca errichtet. Aus der Mitte dieses Steinhaufens leuchtet kaltes Licht. Nur von einer einzigen Betrachtungsposition aus gleicht es zwei strahlenden Augen: Die leblosen Steine werden zu einem magischen Wesen. Barbara Signer spielt immer wieder mit solchen Übergangsmomenten. Sie inszeniert vieldeutige Situationen und Stimmungen mit dem Potential, sich stetig zu verändern. Mit dem Ausstellungstitel zeig sie dieses Spektrum auf: «The First the Last Eternity» sang die deutsche Band Snap! Mitte der 1990er Jahre. In Arbon beginnt die Unendlichkeit oder sie nimmt ein Ende. Wer die Portale durchschreitet, findet es heraus. Einen Versuch ist es allemal wert.