Rohstoff und Problemmaterie

by Kristin Schmidt

Monira Al Qadiri präsentiert im Kunsthaus Bregenz die Ergebnisse ihrer Erfahrungen und Forschungen zur Erdölförderung und deren Folgen. Ihre Arbeiten sind hochästhetisch, obgleich sie die negativen Seiten des globalen Erdölkonsums ins Zentrum stellen.

Bregenz — Bohrköpfe sind dazu entwickelt zu penetrieren. Sie dringen ins Gestein ein, hinterlassen Löcher, fressen sich vor zu Bodenschätzen. Damit ist ihre eigentliche Aufgabe erledigt, ihre Wirkung jedoch entfalten sie weit darüber hinaus. Im Falle des Erdöls sogar global und in nahezu jedem Lebensbereich: Ist es seinen Lagerstätten entnommen, erlangt es eine neue Permanenz. Monira Al Qadiri (*1983) thematisiert diese Zusammenhänge, kommt vom Kleinsten zum Grossen, zeigt direkte Wirkungen und unbeabsichtigte Nebeneffekte. Die Künstlerin schöpft dabei aus der lokalen wie aus einer globalen Sicht, ist sie doch in Senegal geboren, in der Erdölnation Kuwait aufgewachsen, hat in Japan studiert und lebt aktuell in Berlin.
In ihrer Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt Al Qadiri aktuelle Arbeiten in einer durchdachten Abfolge. Im Foyer hängen riesenhafte Nachbildungen der Molekularstruktur petrochemischer Substanzen. Die luftgefüllten Objekte verweisen mit ihrer Monumentalität auf die Omnipräsenz des Erdöls und behaupten mit ihrer Ähnlichkeit zu Jahrmarktballons dennoch ihre Harmlosigkeit.
Die Bohrköpfe, die Al Qadiri in einer kleineren Version vergangenes Jahr an der Biennale Venedig zeigte, sind das Herzstück der Ausstellung. Sie drehen sich im ersten Obergeschoss, lassen ihren Flipflop-Lack in schönsten Farben schillern oder hängen in makellosem Weiss an der Wand. Sie bestechen durch rhythmisch angeordnete Schneidwerkzeuge und zeigen allesamt: Der Bohrkopf ist nicht das Problem. Es ist der Mensch, der die Technik entwickelt hat, der sie braucht und sie doch nicht im Griff hat. Das verdeutlicht die Künstlern im Treppenhaus und den beiden Stockwerken darüber: Sie spielt mit Tankerfotos in Bullaugen auf die Unterwasserlacke an, die Muscheln, Schnecken und Algenbewuchs verhindern sollen, dabei jedoch schädliche Substanzen absondern. Über die daraufhin zu beobachtenden Geschlechtsveränderungen bei Schalentieren lässt sie zwei Muscheln einen eindringlichen Dialog führen. Im obersten Stockwerk schliesslich platziert sie auf eigens installiertem, glänzend weissem Boden schwarze Glasvögel und -pfützen. Das Bild ölverschmierter, verendender Tiere ist illustrativ und überdeutlich. Aus der Erfahrungswelt der Künstlerin stammend, soll es als unmissverständlicher Weckruf verstanden werden. Dabei muss dahin gestellt bleiben, wieviel Erdöl in der gesamten Ausstellungsproduktion steckt.

→ ‹Monira Al Qadiri. Mutant Passages›, Kunsthaus Bregenz, bis 2.7.
↗ www.kunsthaus-bregenz.at