Parlament der Pflanzen — Die Kraft der Pflanzen

by Kristin Schmidt

Müssen wir die Pflanzen retten oder retten sie uns? Das Kunstmuseum Liechtenstein greift ‹Parlament der Pflanzen II› ein bereits früher bearbeitetes Thema wieder auf. Diese Vertiefung lohnt sich inhaltlich und in der Ausstellungsgestaltung. Gezeigt werden 19 künstlerische Positionen.

Vaduz — Zum Einstieg der Wald: Mooskissen, Baumriesen, Dickicht, Blattgrün – Thomas Struths Werkgruppe ‹Pictures of Paradise› zeigt intakte Natur, ohne Menschen, ohne Tiere. Der Künstler fotografiert Wälder in Australien, Japan, Peru oder in Bayern. Die entstandenen grossformatigen Bilder porträtieren jedoch keine einzelnen Biotope, sondern den unermesslichen Naturraum, seine Vitalität, seine Schönheit und seine Kraft, auf die Menschen einzuwirken, ihnen Stille und Wohlsein zu schenken. Damit steht bereits zum Auftakt von ‹Parlament der Pflanzen II› im Kunstmuseum Liechtenstein nicht das einzelne Gewächs im Mittelpunkt, sondern die Symbiose, die Gemeinschaft der Pflanzen, das Beziehungsgeflecht der Lebewesen – auch zwischen Flora und Mensch.
Während in der ersten Ausgabe von ‹Parlament der Pflanzen› 2020 noch der anthropozentrische Blick auf Pflanzen dominierte, wird im zweiten Teil des Ausstellungsprojektes immer wieder deutlich, wie sehr es auf das Miteinander ankommt: So zeigt Ursula Biemann das Leben indigener Gemeinschaften mit dem Wald, Polly Apfelbaum die Vielfalt der Nutzpflanzen oder Uriel Orlow pflanzliche Kommunikationsnetzwerke und das «Waldbewusstsein». Pflanzen werden mehr und mehr als Subjekt, denn als Objekt begriffen. Erst dadurch wird ein neues Zusammenleben möglich. Auch die Kiewer Künstlerin Alevtina Kakhidze sieht Pflanzen als handelnde Wesen, sie beschreibt sie als pazifistisch und hebt ihre Widerstandskraft und Beharrlichkeit hervor. Dies hat bereits grosse Nähe zum Politischen, dem ein besonderer Ausstellungsteil gewidmet ist: Die unter ‹Politik der Pflanzen› gezeigten Positionen stammen aus dem Bestand der Graphischen Sammlung der ETH Zürich und beschäftigen sich mit Grenzziehungen, ökonomischem Druck oder dem Verhältnis von Kultur und Natur. Monica Ursina Jäger beispielsweise lässt die Pflanzenwelt architektonische Strukturen durchdringen und verwendet als Zeichenmaterial Chlorophyllin. Dieses Ausstellungsinsert ist durch die zartgrüne Wandfarbe und kleinerformatige Arbeiten auf Papier durch eine andere Masstäblichkeit gekennzeichnet.
Ebenfalls räumlich eigenständig sind die eingebauten Wissensinseln. Sie führen zu philosophischen, naturwissenschaftlichen oder historischen Exkursionen in die Pflanzenwelt, begleitet von künstlerischen Arbeiten. Aber auch ihre Szenografie schlägt eine Brücke zum Thema: Auf ihren hölzernen Stelzen gleichen sie Baumhäusern und verleihen auch diesem theoretischen Teil der Schau eine sinnliche Ästhetik.