Erdöl ist überall
by Kristin Schmidt
Monira Al Qadiri ist in Kuwait aufgewachsen. Die Erdölförderung dort war der Ausgangspunkt für ihre künstlerische Arbeit. Ihre Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt die globale Brisanz der Erdölindustrie.
Erdöl ist allgegenwärtig. In Kosmetik, Kleidung, Alltagsgegenständen, Treibstoff. Das ist ebenso bekannt wie die verheerenden Auswirkungen dieser Allgegenwart auf die Umwelt. Liesse sich zurückdrängen, was nahezu alle Lebensbereiche beherrscht? Diese Frage stellt Monira Al Qadiri nicht vordergründig. Die Antwort darauf wäre auch schwer zu finden. Aber die in Kuwait aufgewachsene Künstlerin zeigt Erdöl in seiner ebenso faszinierenden wie beunruhigenden Omnipräsenz. Bereits an der letztjährigen Biennale in Venedig fielen ihre Skulpturen auf: Al Qadiri hatte Nachbildungen von Bohrköpfen in schillernd schöne Objekte verwandelt. Für das Kunsthaus Bregenz hat sie diese nun vergrössert und stellt ihnen weitere Arbeiten zur Seite. Deren gemeinsames Thema ist das Erdöl – vom Erdgeschoss bis ins dritte Stockwerk, von der molekularen Ebene bis zur zerstörten Natur.
Pralle Moleküle
Das Foyer dominieren riesige Ballons. Es sind Nachbildungen der Molekularstruktur von petrochemischen Substanzen. Prall und bunt hängen sie im Raum. Ab und an ertönt eine Pumpe, die neue Luft hinzufügt und die Objekte wie Atem durchströmt. Damit funktionieren sie als Sinnbild für die Notwendigkeit erdölbasierter Stoffe im modernen Leben.
Ein Stockwerk weiter oben rotieren die Bohrkerne. Sie dringen hier jedoch nicht in die Tiefe vor, sondern drehen sich langsam und unaufhörlich um sich selbst. Damit kommt ihre aufwendige Lackierung besonders gut zur Geltung. Sie wechselt je nach Blickwinkel die Farbe und lässt die Assoziation mit schillernden Unterwasserwelten zu. Ebendiese gehen jedoch mit der Erdölförderung, den steigenden Meerestemperaturen und an den Müllstrudeln zugrunde. Oder an den Lackierungen der grossen Tanker. Dank dem Lack können sich Meereslebewesen nicht an die Schiffsrümpe heften, er gibt aber Giftstoffe ins Wasser ab, die hormonaktiv wirken und zum Aussterben von Schneckenpopulationen führen. Monira Al Quadiri thematisiert diese Zusammenhänge mit Bullaugen und einem Schneckendialog. Die Bullaugen sind im Treppenhaus montiert und zeigen Tankschiffe mit Muschelnamen. Wenige Schritte weitere unterhalten sich zwei Schneckenhäuser: Sie sprechen darüber, wie sie einst im Meer ihre Geschlechter wechselten. Die Hüllen der stacheligen Tiere sind rot und nahezu raumhoch, alles ist in rotes Licht getaucht. Damit gelingt es der Künstlerin die kühle Atmosphäre im Kunsthaus Bregenz in eine intime Szenerie zu verwandeln und die Aufmerksamkeit auf das beklemmende Gespräch zu lenken.
Leidende Tiere
Den Kontrast dazu zeigt das dritte Obergeschoss. Hier ist der Terrazzoboden des Ausstellungshauses in eine gleissende, weisse Fläche verwandelt. Morgens kurz nach dem Öffnen der Ausstellung sind die Angestellten des Kunsthauses noch damit beschäftigt, die Spuren der Schuhsohlen vom Vortag zu beseitigen, damit die glatte Fläche wieder makellos ist. Dabei gehören auch die aus Erdöl produzierten Schuhsohlen zum Problem, das hier auf drastische Weise dargestellt wird: Monira Al Quadiri hat Dutzende Wasservögel aus schwarzem Glas auf dem weissen Boden verteilt. Sie liegen wie tot in kleinen schwarzen Glaspfützen, wie gestorben im Ölteppich havarierter Tanker oder Ölplattformen. Wie alle anderen ausgestellten Werke ist auch dieses hochästhetisch. Diese Schönheit steht nicht im Widerspruch zum thematisierten Problem, bergen doch Al Qadiris undogmatische Werke die Chance, einen ernsthaften, sachlichen Dialog auch ausserhalb der Kunstszene zu unterstützen.