Valie Export — Die Künstlerin bestimmt das Bild

by Kristin Schmidt

Valie Export hat ihre wegweisenden Aktionen fotografisch und filmisch festhalten lassen. Diese Zeugnisse sind mehr als blosse Dokumentationen, wie die aktuelle Ausstellung im Fotomuseum Winterthur zeigt. Sie entstand in Kooperation mit der Albertina, Wien, und in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin.

Winterthur/Bregenz — Den Künstlerkollegen Peter Weibel angeleint auf allen Vieren durch Wien führen, mit unverhüllter Vulva ‹Genitalpanik› verbreiten, zum ‹Tapp und Tastkino› einladen – diese drei Aktionen von Valie Export (*1940) sind besonders bekannt. Das liegt einerseits an der Radikalität und Provokationskraft der Ideen. Andererseits verdanken diese Aktionen ihre starke Präsenz über die Kunstgeschichtsschreibung hinaus ihrer fotografischen und teilweise filmischen Dokumentation.
Valie Export weiss um die Macht der Bilder. Sie wiederholte Aktionen für die Kamera oder inszenierte sie sogar eigens neu. Sie stellte sich in den Mittelpunkt der Bilder, bestimmte mit klaren Vorstellungen die Aufnahme. Die Videos und Fotografien sind mehr als blosse Aufzeichnungen: Export agierte als Regisseurin, liess gezielt Schlüsselmomente ihrer Interaktion mit Teilnehmenden festhalten, wählte unterschiedliche Formate und serielle Abzüge oder stempelte ihren Namen in Versalien auf das Motiv. Sowohl die Performances wie auch ihre Repräsentation sind ein Akt der Selbstermächtigung gegenüber dem männlich dominierten Kunstbetrieb und den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen: Mit dem selbst gewählten Namen Valie Export emanzipiert sie sich vom Namen des Vaters und des Ehemannes. Mit den Aktionen kehrt sie den männlichen Voyeurismus und die Machtverhältnisse um. Mit der fotografischen Inszenierung behält sie die Hoheit über das eigene Bild. Immer wieder fällt in der Ausstellung im Fotomuseum auf, wie früh Valie Export künstlerische Themen aufgriff und zu einem gültigen Ausdruck brachte. So setzte sie in den ‹Körperkonfigurationen›, 1972, den Körper ins Verhältnis zum Stadtraum und nahm die performativen Skulpturen Erwin Wurms vorweg. Oder sie hält in ‹Glasplatte mit Schuss›, ebenfalls 1972, eine durchschossene Glasplatte vor ihren Körper, lenkt durch die Spiegelung metaphorisch das Projektil zurück auf den Fotografen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur konzeptuellen Fotografie.
Während die Winterthurer Ausstellung retrospektiv und chronologisch angelegt ist, hat Valie Export parallel für das Kunsthaus Bregenz eine einmalige Installation entwickelt: Orgelpfeifen aus der Wallfahrtsbasilika Sieben Schmerzen Mariae bei Linz, dem Geburtsort der Künstlerin, hängen im Erdgeschoss und dazu tönt Charles Mingus’ ‹Oh Lord, Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me›, 1961. Die Klangskulptur sucht den aktuellen, weltpolitischen Bezug.

→ ‹Valie Export – Die Fotografien›, Fotomuseum Winterthur, bis 29.5.
↗ www.fotomuseum.ch
→ ‹Valie Export – Oh Lord, Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me›, Kunsthaus Bregenz, bis 10.4.
↗ www.kunsthaus-bregenz.at