Serafin Krieger

by Kristin Schmidt

Ohne Titel (2013/2019)
Fotografie

Wie beruhigend, wenn die Dinge in Ordnung sind, wenn alles auf seinem Platz, alles sortiert, klassifiziert oder schubladisiert ist. Der Mensch hat den Drang, die Welt zu überblicken, alles ein- und zuzuordnen. Gelingt dies, kann das sehr beruhigend sein. Doch mitunter gerät die Ordnung aus den Fugen. Dinge sind verschwunden, am falschen Platz oder entziehen sich der Beschreibung. Serafin Krieger spürt solche Fehlstellen auf. Aufmerksam bewegt sich der 1995 in Heiden geborene Künstler sowohl im Alltag als auch auf Reisen durch die Welt und hält täglich fest, was ihm auffällt. Er fotografiert die Merkwürdigkeiten, die Irritationen im Gewohnten, schreibt sie auf oder zeichnet seine Alltagsbeobachtungen. Smartphonekamera, digitale Notizfunktion, aber auch Skizzenbuch und Stift trägt er immer mit sich.
Für Serafin Krieger sind diese Notationen inzwischen eine gut geübte Praxis, die er mit seiner künstlerischen Arbeit verbindet: «Die Beobachtungen sind Teil des Weiterarbeitens. Sie können einen Diskurs auslösen, lassen sich neu kombinieren oder führen auf neue Denkspuren.» Um auf die Fundstücke gezielt zugreifen zu können, braucht auch Serafin Krieger Ordnungssysteme. So gibt es beispielsweise in seinem Bildarchiv die Kategorie der optischen Täuschungen. Dazu gehört die Aufnahme der parkierten Autos zwischen Glasfronten: Durch die Spiegelung scheint sich der weisse Kleinwagen zu verdoppeln und sich wie ein Parasit das dunkel lackierte Nachbarauto einzuverleiben. Wer nimmt hier wessen Platz ein? Eine Frage, die sich auch bei der Fotografie einer Taube stellt. Sie sitzt auf einem Metallträger für Werbetafeln: Nehmen die benachbarten Metallnägel den Vögeln ihren Platz weg? Oder ist es die Taube, die sich in der Lücke einen Platz gesucht hat, der ihr nicht zusteht? Serafin Krieger hat die Situation in dem Moment fotografiert, in der unterhalb der Abwehrnägel für einen Zoo geworben wird. Nicht zufällig führt das zur Frage: Welche Tiere wollen wir und welche können uns gestohlen bleiben?

«Obacht Kultur» N° 45, 2023/1