Heimeliges Accessoire oder lebensnotwendig?

by Kristin Schmidt

Der Ofen ist der Nachfahre der offenen Feuerstellen unserer Urahnen, aber er erfüllt heute andere Bedürfnisse.

«Alle wollen das Feuer sehen.» Der Herisauer Ofenbauer Dominic Jud hat schon seit zwei oder drei Jahren keinen Ofen mehr ohne Glastür gebaut, Cheminées eingeschlossen. Dominic Jud erklärt den Unterschied: «Das Cheminée gibt schnelle Wärme, hat aber einen sehr geringen Wirkungsgrad. Im Ofen wird das Rauchgas geführt und der Feuerraum ist kleiner, dadurch ist der Wirkungsgrad grösser.» Gefragt sind Cheminées trotzdem, denn selbst wenn die Wärmquelle der Wohnung eine andere ist, der Blick ins Feuer ist beliebt.

Das war früher anders, so Vreni Härdi vom ausserrhodischen Amt für Denkmalpflege: «Öfen dienten als Wärmespender, das Feuer war weniger wichtig. Die Stube war der einzige warme Raum. Das entsprach einem Grundbedürfnis, keinem Wohlstandsgedanken.» Und dieses Grundbedürfnis gibt es schon sehr lange. Eigentlich schon immer, so Irene Hochreutener aus Teufen, Vorstandsmitglied Heimatschutz AR und Autorin der Schweizerischen Bauernhausforschung: «Der gemauerte Ofen ist das, was früher die befestigte Feuerstelle war, allerdings ermöglichte er nicht nur die warme, sondern vor allem auch die rauchfreie Stube. Ein Luxus, der für uns heute selbstverständlich ist.» Aber die heimelige Vorstellung einer Familie auf der Ofenbank mit dem zusammengerollten Kätzchen im Korb rückt Hochreutener gerade: «Man darf sich das aber nicht zu romantisch vorstellen, gearbeitet wurde sommers wie winters, auch in der Stube. Man denke beispielsweise an die Stickereizeit. Da waren warme Hände wichtig.» oder wie es Vreni Härdi formuliert: «Früher wärmte der Ofen den Körper, heute die Seele.»

Obacht Kultur, No. 33 | 2019/1