Holzzeug im Zeughaus
by Kristin Schmidt
Das temporäre Holzvordach des Zeughaus Teufen deutet es an: Hermann Blumer ist „Leidenschaftlich auf dem Holzweg“, so das Motto der aktuellen Ausstellung.
Lebte Hans Ulrich Grubenmann heutzutage, er wäre ein Holzbauingenieur – so wie Hermann Blumer. Ein Holzbauingenieur, der Bauten nicht nur realisiert, sondern entwickelt, plant und konzipiert. Die Parallelen zwischen dem Barockbaumeister und dem Waldstätter Bauingenieur liegen auf der Hand. In einer Ausstellung im Zeughaus Teufen lässt sich ihnen nun in allernächster Nähe zueinander nachspüren.
Grubenmann war im achtzehnten Jahrhundert auf der Jagd nach Rekorden; die grösste Spannbreite war ihm nie weit genug. Heutzutage ist es Hermann Blumer, dem keine Herausforderung beim Bauen mit Holz zu gross ist. Im Gegenteil: Der Erfinder und Unternehmer hatte und hat stets eine Lösung parat, selbst wenn das Problem noch nicht einmal benannt war. „Ich habe eine Idee, und die ist verblüffend und sicher“ – dieser unerschütterliche Glaube an die eigenen Fähigkeiten, aber auch an die Potentiale des Werkstoffes Holz treibt den inzwischen Siebzigjährigen seit Jahrzehnten an. Und so stehen die erstaunlichsten Gebäude auf seiner Werkliste.
Etwa die Überdachung der Bäderlandschaft des Säntisparks; oder das sich drehende Solarhaus Heliotrop, der vielbeachtete Palais de l´Equilibre an der Expo.02 in Neuenburg. Im Zeughaus Teufen werden diese und andere Bauten mit Plänen, Skizzen, Modellen und Fotografien vorgestellt. Die Fotografien verdienen dabei besonderes Augenmerk, sind es doch mehr als blosse Dokumentationsbilder. Von renommierten Fotografen aufgenommen, fangen sie jene besondere Stimmung ein, die nur beim Bauen mit Holz entsteht, die Atmosphäre, die nur von diesem natürlichen und vielseitigen Material ausgeht.
Katalin Déer hat zum Beispiel einen im Lignatur-Patent überdachten Stall fotografiert. In diesen Bildern zeigt sich deutlich, dass dieser Stall eben nicht einfach ein Stall ist. Die neuartige Balkentechnik ermöglicht einen lichten, geradlinigen Raum, der nicht modernistisch ist, sondern traditionelles Bauen aufs Beste in die Gegenwart weiterdenkt.
Hermann Blumer war freilich nicht immer so erfolgreich wie in der Erfindung der Lignatur oder des Blumer-System-Binders , der Spannweite von bis zu 100 Metern überbrücken liess. Sein grosser Enthusiasmus liess ihn auch scheitern. So ist in der Ausstellung etwa der Einsturz der Olympischen Ringe in Barcelona dokumentiert. Gut, dass die Ausstellung das Scheitern nicht ausspart. Denn nur so ist das Bild des grossen Holzbauingenieures vollständig, nur so lässt sich das Wirken eines Menschen vermitteln, der nicht aufgibt, sondern dann erst recht weiterarbeitet und -entwickelt.
Die Ausstellung verbindet das Leben und das Wirken Blumers. Alles verschränkt sich miteinander und bleibt doch auch immer für sich selbst lesbar. Das liegt nicht zuletzt an der logischen Gliederung: Dokumentaraufnahmen, private Fotografien und Pläne folgen aufeinander bezogenen horizontalen Linien. Sie lassen sich gleich einer Zeitleiste lesen. Auch die Projekte sind chronologisch angeordnet und manches ist ganz von der Ästhetik längst vergangener Dekaden durchdrungen. Immer wieder lohnen sich Quer- und Seitenblicke, um die zeittypische Gestalt der Bauten zu vergleichen, und dann auf den Hauptweg, den „Holzweg“ zurückzukommen. Dieses Motto der Ausstellung visualisiert sich in einem mittig präsentierten Strang aus Materialinseln. Hier liegen Holzmuster, historische Objekte, Konstruktions- und Ornamentbeispiele und immer wieder kleine Kunstobjekte aus Holzimitat. Gabriela Brühwiler, Pascal Lampert, Ursula Palla und Stefan Rohner werfen damit kritische Blicke auf den Umgang mit dem Werkstoff Holz. Der junge Herisauer Künstler Fridolin Schoch hingegen führt die Ausstellung und ihre Besucher mit einer kühnen, hölzernen Raumzeichnung in die Grubenmannsammlung ins oberste Stockwerk. Grubenmann und Blumer – im Zeughaus Teufen kommen die zwei auf schlüssige Weise zusammen.