Ende in Sicht – leider

by Kristin Schmidt

Die Künstlerin Judith Albert widmet sich den Horizonten. Ihre Ausstellung ist die vorvorletzte im Schaukasten Herisau.

Der Horizont ist kein Faktum, sondern eine virtuelle Schwelle. Als Horizontlinie begrenzt sie unsere Sicht und öffnet sie zu gleich: Spätestens, seit die Erde nicht mehr als Scheibe gilt, sehen wir den Horizont im Bewusstsein, dass es dahinter weitergeht. Auch wenn nicht immer klar ist wie und wohin, aber gerade darin liegt eine Faszination dieser Linie. So auch bei Judith Albert.

Die 1969 in Sarnen geborene Künstlerin stellt ihren Auftritt im Schaukasten Herisau unter das Motto „Hinter dem Horizont“ und zeigt mit der Einladungskarte wie weit gefasst das Motiv sein kann. Zwei Hände spannen ein dickes, blaues Band und halten es so ins Licht, dass es einen Schatten wirft, dieser aber verdeckt wird: Der Horizont als anthropologisches Konstrukt. Mit der Fotografie im Schaukasten geht Albert noch einen Schritt weiter. Vor einer weissen Leinwand steht die Künstlern und umschliesst mit ihren Armen eine weisse Tafel. Die Arme bilden einen Horizont, eine Landschaft. Beide Hände berühren einander mit den Fingerspitzen. Die weisse Fläche zwischen Körper und Armen ist die Projektionsfläche für all das, was wir gedanklich hinter dem Horizont ansiedeln.

Albert eröffnet mit einer kleinen Geste einen grossen Raum, ganz so, wie der Schaukasten an der Post in Herisau. Hier ist seit 2006 viermal im Jahr gute Kunst zu sehen. Einheimische und Ausgeschwärmte, Junge und Etablierte – alle eingeladenen Künstlerinnen und Künstler haben eigens für den Schaukasten eine Arbeit entwickelt und umgesetzt. Skulpturen waren dabei und Zeichnungen, Gebackenes und Geschreinertes, Bücher und Bilder, es wuchs und leuchtete, wucherte und tönte – das ganze Spektrum der Kunst in ein paar Kubikdezimetern. Nun ist bald Schluss damit. Die aktuelle Ausstellung ist die dreissigste, zwei wird es noch geben und dann sprengt Roman Signer den Schaukasten, oder auch nicht, aber er bespielt ihn im Mai für die letzte Ausstellung.

Die Kunst geht Vera Marke, Paul Knill, Matthias Kuhn und Katharina Stoll-Cavelti damit zwar nicht aus, aber das Schaukastenteam will keine Ewigkeitsansprüche behaupten. Als einziger Raum für Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst in Ausserrhoden war der Kasten schon zu einer kleinen Institution geworden. Aber genau das war nicht das Ziel der Initiative, vielmehr wurde ein neues Format erprobt und bewiesen, dass es kulturelles Engagement auch an ganz ungewohnten Orten möglich ist. Und so besteht die Hoffnung, dass der Faden von Anderen wieder aufgenommen wird, denn: Hinter dem Horizont geht’s weiter.