Kunsthaus Bregenz: Gabriel Orozco – Natural Motion
by Kristin Schmidt
Materialien, Objekte, Situationen – Gabriel Orozco bewegt sich zwischen Zufall und Auswahl. Das Werk des Mexikaners lebt von der Unmittelbarkeit seiner künstlerischen Geste. Das Kunsthaus Bregenz zeigt eine Ausstellung mit aktuellen Werken und präsentiert ausserdem Bekanntes in abgewandelter Form.
Hier die Ewigkeit, da der Moment. Dort vollendetes Design, da eine zufällig beobachtete Situation. Hier das Naturobjekt, dort die von Menschenhand, von Künstlerhand geschaffene Form. Mal ist ein Werk gerade so oder nur im entsprechenden Kontext noch als ein solches erkennbar, mal ist es das Ergebnis eines aufwendigen, langwierigen Gestaltungsprozesses – keine von Gabriel Orozcos Arbeiten ist wie die andere, aber jede entsteht aus der Welt heraus und aus dem Interesse an dem, was dem 1962 in Mexiko geborenen Künstler auf seinem Weg begegnet, ob Ding oder Erlebnis. So sind der auf einem Felsen liegende Hund oder der aufs polierte Klavier gehauchte Atem Momentaufnahmen, die kaum beiläufiger sein könnten und dennoch nichts weniger als existentielle Fragen behandeln. Zugleich erkundet Orozco die Natur, die in ihr verborgene oder ihr zugrundeliegende Form, so etwa wenn er seine Hände in einen Tonklumpen drückte: „Meine Hände sind mein Herz“. Dieses frühe, intime körperliche Projekt von 1991 findet in der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Bregenz seine Entsprechung in Skulpturen aus immer wieder auf die Arbeitsfläche geschlagenen Terrakottaklumpen. Die Schwerkraft, die Materialeigenschaften und der körperliche Impetus des Künstlers haben sich im archaischen Material eingeschrieben. Dennoch: In der Vielzahl der aktuellen Objekte geht die Stärke der früheren Geste etwas verloren. Aber dies ist ein grundsätzliches Problem der Bregenzer Schau: Sie setzt auf Wiederholung, um eine schlüssige Choreographie zu erreichen. So wird mit dem Walskelett „Dark Wave“ im Erdgeschoss und dem zum schnittigen Zweisitzer verschlankten Citroën DS „La DS Cornaline“ im obersten Stockwerk eine ästhetische und eine inhaltliche Spange geformt. Im vom Menschen verklärten Meerestier in Originalgrösse und der aufs Wesentliche reduzierten Designikone treffen zwei Arbeiten aufeinander, die sich auf Mythen beziehen und als Werke Orozcos auch selbst bereits mythischen Charakter annehmen. Beide sind präsentiert wie ein Allerheiligstes – mit ausreichend Platz für die Aura. Diese aber lässt sich weder einem Knochenduplikat aus Kalziumkarbonat so ohne weiteres verleihen noch der eigens für Bregenz geschaffenen Neuauflage der Autoskulptur. Dass beide trotzdem beeindrucken, liegt nicht zuletzt der Architektur des Hauses. Dessen Terrazzoboden bietet auch den gefälligen 45 Flusskieselskulpturen das perfekte Passepartout.