St.Gallen: Willi Oertig in der galerie|christian roellin
by Kristin Schmidt
In den ersten zwei Jahrzehnten hat er Interieurs und Landschaften akribisch genau wiedergegeben. Mit der Zeit ist Willi Oertig (*1947) kühn geworden. Der Thurgauer Künstler komponiert seine Gemälde aus homogenen Flächen, lässt Diagonalen wirkungsvoll fallen oder steigen, wählt ungewohnte Draufsichten und extreme Perspektiven. Die Bilder der letzten Jahre sind deutlich leerer und zugleich radikaler als jene Anfänge des Autodidakten, die oft der Naiven Kunst zugeordnet wurden. Was geblieben ist: Der aufmerksame Blick Oertigs für die unspektakulären Orte des besiedelten Raumes, die Tankstellen und U-Bahnen, die Strassenkreuzungen und Garageneinfahrten, die Agglomerationsbahnhöfe und Sportplätze. In Oertigs malerischer Umsetzung und der damit einhergehenden Abstraktion werden daraus Ankerplätze der Melancholie, stille, entrückte Szenerien im Nirgendwo, in der Einsamkeit.
Markus Landert hatte Oertig im vergangenen Winter eine grosse Retrospektive im Kunstmuseum Thurgau ausgerichtet und in ihnen „den ganzen Weltschmerz einer Gesellschaft in der Warteschleife, auf der Durchreise“ geortet. Nun zeigt der St.Galler Galerist Christian Röllin einen Ausschnitt aus Oertigs jüngstem Schaffen.