Dreimal Kunst im Hotel Krone

by Kristin Schmidt

Die drei Kunstschaffenden Renate Flury, Frank Keller und Michaela Müller zeigen an der Kulturlandsgemeinde 2013 eigens für diesen Anlass entwickelte Werke. Das diesjährige Motto „wohl oder übel“ ist in den gezeigten Arbeiten auf unterschiedliche Weise präsent.

Eine frische Brise weht durch den Veranstaltungssaal des Hotel Krone in Gais. Die Luft strömt und braust, sie fordert Aufmerksamkeit. Renate Flury inszeniert mit „FrischLuft“ eindrucksvolle Störmomente innerhalb der Kulturlandsgemeinde. Die Thurgauer Bildhauerin installiert zwei Turbogebläse an den Fenstern des Raumes. Sie pusten in unregelmässigen Abständen eine Minute lang frische Luft herein und schaffen Platz für neue Gedanken. Bei der diesjährigen Kulturlandsgemeinde dreht sich alles ums Wohl- oder Übelsein, da kommt Sauerstoffnachschub gerade recht.

Renate Flury hat „FrischLuft“ eigens für die Kulturlandsgemeinde entwickelt und beschreitet damit neue Wege. Eine zusätzliche Ausstellung im Hotel Krone zeigt frühere Schaffensphasen der Thurgauer Bildhauerin (1953 in Zürich geboren). Ein „Traumwesen“ aus Muschelkalk begrüsst die Eintretenden. Es ist weder Mensch noch Tier, genauso wenig gibt es ein Vorn oder Hinten, aber männlich und weiblich finden unter dem wuchernden Haupt zu einer Einheit zusammen.

Der menschliche Körper ist immer wieder Gegenstand der künstlerischen Forschung Renate Flurys: Ende der 1990er Jahre übersetzt die Künstlerin Menschenknochen zehnfach vergrössert in Marmor. Mittlerweile lenkt sie mit grossformatigen Fotografien den Blick auf Körperdetails. So werden zwei aneinandergelegte Fusssohlen zum zweideutigen Fussgebet.

Auch Frank Keller spielt mit Mehrdeutigem und Körperlichem. Ausgehend von Aufnahmen menschlicher Haut, der Schale einer Zitrusfrucht oder selbst gezüchteten Bakterienkulturen erzeugt der Ausserrhoder Künstler (*1964) am Computer virtuelle Landschaften. Obgleich alle Bilder vage an Bekanntes erinnern, ist doch bei kaum einem präzise zu bestimmen, was es zeigt. Trotzdem stellt sich angesichts tiefroter Krater, geäderter, zerklüfteter Oberflächen oder myzelartig wuchernder dunkler Flecken mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gewisses Unbehagen ein. Dies gilt auch für die „Moulagen“ in der Petrischale. Die Wachsobjekte sind weniger Abbild konkreter Vorlagen als Imaginationen, die ins reale oder irreale kippen. Wer ohne Vorurteile schaut, entdeckt, dass der gelbe Eiterpunkt nichts weiter ist als ein Stecknadelkopf, oder dass des Künstlers Fingerkuppen im Wachs Spuren hinterlassen haben. Auch diese Arbeit kreist um die Fragen, was anzieht, was abstösst und warum.

Die „Moulagen“ werden im Hotel Krone in der Sackgasse eines Ganges präsentiert. Sie sind sorgfältig aufgereiht und bilden damit einen Gegenpart zu den über die Wände wuchernden „Bildscheiben“. Wie Renate Flury mit „FrischLuft“ reagiert Frank Keller nicht nur inhaltlich auf die Kulturlandsgemeinde, sondern auch auf die Situation vor Ort. Dies gilt auch für die dritte Künstlerin im Bunde, Michaela Müller (*1972). Die in Zagreb und Reute lebende Künstlerin zeigt in einem Treppenaufgang das Video „Transit“. Es ist in einer Durchgangssituation präsentiert und thematisiert auch eine solche: Müller hat sich auf die Menschenströme am Flughafen eingelassen. Tagelang hat sie dort, wo fotografieren verboten ist, gezeichnet, hat Notizen und Skizzen angefertigt und Töne aufgenommen. „Transit“ ist ein Kondensat der festgehaltenen Eindrücke. Statt Geschichten übers Reisen zu erzählen, fängt der Animationsfilm die Flughafenstimmung ein. Michaela Müller verzichtet auf detaillierte Bilder oder Szenen zugunsten einer atmosphärischen Darstellung des Unterwegsseins. Innerhalb der Endlosschleife gleichen und wiederholen sich die Bilder: Reisende ziehen und stossen ihre schweren Koffer. Manch einer hat es eilig. Andere wirken gelassen. Immer wieder laufen die blau auf weiss gezeichneten Gestalten über die beiden Monitore, bleiben aber alle anonym. Wie im Flughafengetümmel verschwindet der Einzelne in der Menge. Individuelle Befindlichkeiten zählen in der Hektik des Flughafens nicht, aber wer fliegen will, nimmt dies auf sich – wohl oder übel.