Der Rechner als Arbeitsgerät des Künstlers
by Kristin Schmidt
Ein Gespräch mit Hubert Matt
Kaum ein Arbeitsplatz mehr ohne Computer: Ob Büro, Werkstatt oder Bauernhof, der Rechner gehört dazu. Und wie ist es in den Ateliers? Wofür benutzen Künstler den Computer? Geht es überhaupt noch ohne? Der Bregenzer Künstler Hubert Matt (*1956), Hochschullehrer für Design und Designtheorie an der FH Vorarlberg wirft einen kritischen Blick auf das Potential des Computers für die Kunstproduktion.
Welche Bedeutung haben Computer aus Ihrer Sicht als Künstlerwerkzeug?
„Der Computer ist als Werkzeug ist schwierig zu beschreiben, weil er nicht nur Werkzeug ist. Er ist ein Gerät, das Rezeption und Produktion gleichzeitig ermöglicht. Ein Buch würden wir nicht als Werkzeug bezeichnen, obgleich Lesen auch Arbeit ist. Mit dem Computer lässt sich aber etwas herstellen. Er hat als Werkzeug eine doppelte Rolle: Einerseits dient er zum Schreiben, Malen, Fotos bearbeiten, also für Anwendungen, die früher im analogen Bereich stattfanden. Andererseits fungiert er als echtes Werkzeug so wie ihn Bernhard Tagwerker nutzt.“
Der St. Galler Künstler Bernhard Tagwerker bezieht computergenerierte Zufälle in den kreativen Prozess ein. Seine jüngsten Werkserien werden ohne ästhetischen Entscheid via Computer umgesetzt. Matt beschreibt Tagwerker nicht nur als „den ersten, sondern auch den einzigen, der in hiesigem Umfeld den Computer als generative Maschine einsetzt“. Und in welche Kategorie fallen jene Künstler, die den Computer zur Bildfindung und -transformation verwenden und diese Bilder dann auch mit anderen Mitteln wie der Malerei weiterverarbeiten?
„Das ist eigentlich nichts Neues. Diese Strategien wurden in der Collagetechnik schon längst verwendet. Als erste integrierten die Kubisten vorhandenes Material wie Fahrscheine und Textfragmente in ihre Werke. Später arbeiteten die Pop Art-Künstler mit Comiczitaten oder Reklame. Neue Technologie hat immer den Anstrich, dass die damit entstandene Arbeit etwas Neues sei. Das aktuelle Gerät täuscht Aktualität in der Kunst vor. Mit dem Computer lässt sich aber bloss mehr Material einfacher besorgen.“
Das Internet hat die Art und Weise wie Computer genutzt werden sehr verändert. Spiegelt sich das auch in der Kunst?
„Für viele ist er Computer das Zugangsterminal zum Internet. Er ist weniger Werkzeug als Medium. Als Hardware ist er ein Interface zur medialen Welt. Allerdings ist die Medienreflexion derzeit im Urlaub oder in der Frührente. Vieles ist nur noch dekorativ statt reflektiert oder gar kritisch.“
Und die Medienkünstler? Gibt es die überhaupt noch in Zeiten der Blogs und des Social Web?
„Die Rolle der Medienkünstler ist vergleichbar zu jenen, die vor dem Computerzeitalter in Podiumsdiskussionen eingegriffen haben oder Zeitungen gründeten. Nur ist der Reiz in die Medienwelt einzugreifen heute viel geringer, da kaum noch etwas live passiert. Vielleicht würde eine kritische Reflexion des Mediums bedeuten, keine Kunst mehr zu machen. Vielleicht sind auch die Hacker die Künstler des 21. Jahrhunderts. Vielleicht ist es auch ein Weg, den Computer nicht zu benutzen. Schliesslich kann Malerei etwas, was der Computer nicht kann: Sie ermöglicht eine Performance des Betrachters. Sie setzt ihn in Bewegung, wenn er Nah- und Fernsichten ergründen will.“
Aufgaben gäbe es dennoch auch für Netzkünstler, wenn sie ihr Handwerk beherrschen.
„Ein Problem des Internet ist, dass es keinen öffentlichen Raum, keine Öffentlichkeit, keine unbesetzten Räume kennt. Ich komme von einer Website auf eine andere wie von einem Haus ins nächste, ohne die Strasse zu betreten. Es wäre einen Versuch wert, hier andere Vorgehensweisen zu finden. Computerprogramme sind eine hochkomplizierte Materie, die von gewaltigen Monopolen beherrscht wird. Wer das Geschehen begreifen will, muss es versehen und Strategien entwickeln um es verändern zu können. Ich wünsche mir eine Arbeit am Unwahrscheinlichen, Peripheren, Zufälligen. Freundliche Viren zu programmieren wäre so eine künstlerische Aufgabe.“