Neu, klein, erfolgreich

by Kristin Schmidt

Das Auktionshaus Beurret & Bailly hat sich innerhalb eines Jahres zu einer festen Grösse etabliert. Auf den jährlichen Auktionen wird Kunst in hoher Qualität versteigert.

Wer bei Beurret & Bailly Auktionen anruft, bekommt Nicolas Beurret oder Emmanuel Bailly an den Apparat. Die beiden Gründer des Auktionshauses legen Wert auf den persönlichen Kontakt. Das bringt unschätzbare Vorteile in dieser diskret arbeitenden, stark unter Konkurrenzdruck stehenden Branche, vertrauen die Kunden dem Auktionshaus doch immense Werte an.

In welchen Dimensionen operiert wird, haben die beiden bisherigen Auktionen von Beurret & Bailly eindrucksvoll gezeigt: Im Juni 2011 erzielte das Gemälde „Schulmädchen bei den Hausaufgaben“ 4.6 Millionen Franken bei einem Schätzwert von 1.2 bis 1.5 Millionen Franken. Das war der Weltrekord für ein Bild des Berner Malers. Auch andere Werke übertrafen die Schätzwerte deutlich, darunter auch ein Objekt des Schweizers Markus Raetz. Die dadurch geweckten Erwartungen wurden bei der diesjährigen Auktion eingelöst: Ein Gemälde des französischen Impressionisten Gustave Caillebotte konnte den Schätzpreis verdreifachen und kam auf 2.5 Millionen Franken. Verdoppeln konnte eine Landschaft von Giovanni Giacometti. Hohe Preise erzielten Cuno Amiet und Augusto Giacometti. Viel Schweizer Kunstprominenz war da unter dem Hammer, aber auch internationale Grösse. Ohnehin ist in dieser Liga das Schweizerische international: Beurret und Bailly bieten nur höchste Qualität an. So ist denn auch Ankers „Schulmädchen“ in der Riege seiner Werke von besonderer Schönheit. Die Konzentration liegt ganz auf der Figur und ihrer Anmut. Der dunkle Hintergrund lässt die Farben leuchten und unterstreicht die Versunkenheit des Mädchens.

Beurret & Bailly spielte bereits bei der ersten Versteigerung an der Spitze des Schweizer Marktes mit. Solche Erfolge hinterlassen Spuren. Während der erste Auktionskatalog 76 Nummern umfasste, war der diesjährige viermal so umfangreich. Das war so nicht vorherzusehen und ist doch nicht ganz überraschend. Beurret & Bailly ist zwar ein junges Auktionshaus, doch seine beiden Gründer sind keine Unbekannten in der Kunsthandelsszene. Nicolas Beurret war langjähriger Mitarbeiter bei den grossen Auktionshäusern Sotheby’s und Philips. Der gebürtige Basler ist bestens vernetzt, ausserdem führte er eine zeitlang seine eigene Galerie in Zürich.

Emmanuel  Bailly, geboren in Frankreich und studierter Wirtschaftsjurist und Kunsthistoriker, kennt den internationalen Kunstmarkt ebenfalls durch seine Arbeit in verschiedenen Auktionshäusern. Ab 2000 war er selbständiger Kunsthändler, zuerst in Paris und seit 2005 in Bern. Die Geschäftspartner standen bereits früher in beruflichem Kontakt. Die Idee, gemeinsam ein eigenes Auktionshaus zu gründen, lag auf der Hand. Beide kennen den Betrieb und führen ihn nun selbst mit nur einer Mitarbeiterin.

Die überschaubare Grösse des Hauses bedeutet nicht nur, dass Kunden stets einen der beiden Chefs erreichen, sondern auch einen grossen Aufwand, viel Alltagsgeschäft und wenige Möglichkeiten, anfallende Arbeiten zu delegieren. Zum Beispiel der Auktionskatalog: Seitenweise Abbildungen, Werkangaben, sorgfältig recherchierte Provenienzen. Wenn Nicolas Beurret darüber spricht, wie er und Emmanuel Bailly den Boden des neu bezogenen Büros in Basel über und über mit Fotografien bedecken, wie sie beim Druck auch eines so ephemeren Buches versuchen, das Beste herauszuholen, klingt dies jedoch nicht so, als gäbe es Outsourcingbedarf. Für Expertisen werden aber selbstverständlich Fachleute hinzugezogen. Trotz ihren Erfahrungen und einer viele tausend Bände umfassenden Bibliothek versichern sich Beurret und Bailly Expertenwissens, wenn Objekte begutachtet werden müssen, die nicht zum Kerngeschäft gehören.

Spezialisiert haben sie sich auf die Bildende Kunst vom 13. Jahrhundert bis heute. Schon dies ist ein so grosser Bereich, dass so manchem Kunsthistoriker schwindlig würde. Aber es kommt immer wieder vor, dass ein Gemälde nur zu einer Auktion gegeben wird, wenn die Renaissancekommode oder der barocke Sessel gleichfalls eine Nummer erhalten. Für Beurret und Bailly ist das kein Problem, die persönlichen Vorlieben bleiben aussen vor.

Begeisterung klingt dann aber doch durch, wenn Nicolas Beurret über die Werke der Brüder Barraud spricht, die im vergangenen Juni versteigert wurden. Die vier Brüder aus La-Chaux-de-Fonds werden der neuen Sachlichkeit zugeordnet und die Gemälde erzielten teilweise ein Vielfaches ihres Schätzwertes. Um solche Werke anbieten zu können bedarf es nicht nur Aquiseerfahrungen, sondern auch einer gehörigen Portion Glück. Und es besteht kein Zweifel, dass Beurret und Bailly auch im kommenden Jahr sensationelle Stücke anbieten werden. Nur einen einzigen Wermutstropfen gibt es für Nicolas Beurret: Die Auktionsatmosphäre ist nicht mehr die gleiche wie noch vor 30 Jahren. Waren früher die Säle voll und die Bieter leidenschaftlich, so ist die Stimmung inzwischen kühl und sachlich, die telefonischen Gebote dominieren. Der derzeitige Generationenwechsel wird die Auktionen weiter verändern und Beurret & Bailly werden dabei sein.

NZZ am Sonntag