Vaduz: Bojan Šarčević
by Kristin Schmidt
Künstler äussern Gesellschaftskritik gern mit provokanter Geste. Auch die Kunstgeschichte wird oft auf sehr herausfordernde Weise seziert. Beides zielt direkt auf den Rezipienten und dessen Aufmerksamkeitspotential. Doch auch subtile, zurückhaltende Töne gehen nicht zwangsläufig unter, wenn sie präzise ausgearbeitet sind und darüber hinaus Raum zum Denken lassen. Sie brauchen vielleicht etwas länger, um sich zu Bewusstsein zu bringen, bleiben dann aber nachhaltig dort verhaftet, wie die minimalen, aber eindrücklichen Setzungen Bojan Šarčevićs zeigen. Der 1974 geborene Künstler widmet sich in seinem Werk grundlegenden künstlerischen, sozialen und gesellschaftlichen Fragen, die durchaus als solche bestehen bleiben dürfen. Was hat es etwa mit jenem Spalier aus sechs übermannshohen Regalsystemen auf sich? Tablare aus poliertem Kupfer liegen in sechs Metallkonstruktionen und spiegeln das Raster ihrer Halterung. Sie bremsen die Schritte und leiten sie. Sie scheinen bereit, Gegenstände aufzunehmen und stehen in ihrem Purismus gleichzeitig für sich. Diese Spannung zwischen Ästhetik und Funktionsgedanken spielt Šarčević auch in seinen Plexiglaspavillons aus. Freistehend, skulptural sind sie architektonische Referenz, dienen als Raumteiler und als Halterung für die 16mm-Filmprojektoren, die erst nach dem Eintreten des Betrachters durch einen Bewegungssensor eingeschaltet werden. In drei kurzen Filmen werden farbige geknüllte Papiere, biomorph geformte Tonobjekte und eine Holzkonstruktion durch die Kamerafahrt und Musik zum Reigen erweckt – und lassen sich als ebenso sinnliche wie ephemere Anspielungen auf die klassische Moderne und ihre Nachfolger lesen.
In der anschliessenden, vom Künstler kuratierten Präsentation aus der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein, ist seine Arbeit „At present“ integriert. Ihr Auslöser war eine Aufschrift auf der Heckscheibe eines Autos in Berlin: „Palestine“ – ein Wort, dass seit Jahrzehnten unzählige Assoziationen, Emotionen und Reflektionen auslöst. Für Šarčević ist es Anlass, das Wesen unserer Gesellschaft zu untersuchen. Auch dies denkbar unaufgeregt und wirksam: Die Besucher der Ausstellung sind eingeladen, sich an der Museumskasse ein zum Werk gehörendes DIN A4-Blatt mitzunehmen. Zehn Fragen stehen darauf, von der ersten: „Leben wir in der konformistischsten Epoche der modernen Geschichte?“ bis zur letzten mehr als ein Innehalten wert.