Zitronen- statt Neapelgelb
by Kristin Schmidt
Mit wenig Worten und starken Bildern versucht „Gehard Richter Paintings“ dem Geheimnis des grossen Künstlers auf die Spur zu kommen.
Die Projektionsfläche wird zum Malgrund. Mit breitem Pinsel trägt Gerhard Richter Farbe auf, schiebt sie mit einem beinahe mannshohen Rakel über die Leinwand, trägt sie mit einem Messer wieder ab. Die Farbe ist mehr als Farbton, sie ist Materie, sie bietet Widerstand, sie tropft, schmatzt und führt ein Eigenleben. So leuchtet im aufgerakelten Weiss plötzlich ein helles Gelb auf und entlockt dem Künstler einen kleinen Freudenausbruch. So unbefangen wirkt Gerhard Richter selten in Corinna Belz´ Kinofilm über den grossen Maler. Ganz offen gesteht er, dass er die beobachtende Kamera stets spürt, dass sie ihn beeinflusst. Dennoch hat sich der als unnahbar und scheu geltende Künstler ihr gestellt und sogar vor der Kamera gearbeitet. Gerade jene Momente, in denen Richter malt, sind die intensivsten des Filmes. Behutsam, bedacht und doch bestimmt nähert er sich dem entstehenden Bild. Er setzt den Rakel oder den Pinsel an, dirigiert die Farbe und lässt ihr doch eigenen Raum.
Immer wieder zeigt sich, dass Richters gegenstandslose Malerei das Ergebnis kleinerer und grösserer Entscheidungen ist. Ganz abgesehen von der Wahl des Formates und der Farbe – die unspektakulären Farben sind ihm lieber als die ausgefallenen – ist auch jede einzelne Bewegung der Hand, jedes Ansetzen oder Wenden des Pinsels eine bewusste und folgenreiche Geste. Dies gilt selbst dann noch, wenn Richter den leinwandbreiten Rakel ansetzt und alles Vorherige mit Weiss oder Schwarz überstreicht. Immer wieder dringen ältere Farbschichten durch und verleihen den Bildern die vielbesprochene Raumtiefe. Richter erschafft Zustände, die er wieder zerstört und reagiert erneut darauf.
Doch wann ist die Arbeit am Bild beendet, wann ist es vollendet? Die Frage taucht im Film auf verschiedene Weise auf und sie wird weniger durch Gerhard Richters Kommentare als durch die Werke selbst beantwortet. „Die Bilder machen, was sie wollen. Ich hatte sie anders angelegt“, sagt der Künstler und zeigt, dass jedes Werk eine ihm eigene Spannung und Balance aufweist, die weder geplant noch auf den ersten Blick erkannt werden kann. Erst wenn sich die Werke über einen längeren Zeitraum hinweg der Prüfung durch den Künstler standhalten, erweisen sie sich als gültig. Und dies ist selbst bei Gerhard Richter durchaus nicht immer der Fall. Irrtümer sind möglich.
Es sind diese Szenen im Atelier, das Malen, die Konzentration und der kritische Blick des Künstlers, die den Film sehenswert machen. Erfreulich ist, dass die Regisseurin gerade diesen Aspekten viel Zeit einräumt. Gerne sähe man noch mehr davon und würde auf Corinna Belz´ eindringliches Nachfragen zu Aspekten von Richters Arbeit verzichten, die sich selbst erklären. Zu sehen, wie der Künstler arbeitet, ist Erklärung genug. Daneben ist jede Atelierszene freilich auch ein ästhetisches Ereignis. Richter, stets im dunklen Oberhemd statt im Malerkittel, agiert vor riesigen, makellos weissen Wänden. Hier ist die Werkstatt bereits der White Cube – von hier ist es nicht weit bis in den Ausstellungsraum. Die Regisseurin begleitet Richter in Ausstellungen im heimischen Köln und nach London. Der Film zeigt die Ausstellungsvorbereitung anhand von Modellen im Atelier, den Aufbau vor Ort, begleitet von akribischen Restauratoren, die Pressekonferenz und den Vernissagerummel und lässt Richters Assistenten wie auch die New Yorker Galeristin zu Wort kommen. All dies fügt sich zu weit mehr als einem Künstlerporträt. „Gerhard Richter Paintings“ ist nicht nur ein Film über den Maler, es ist ein Film über die Kunst.