Vaduz: Beispiel Schweiz. Entgrenzungen und Passagen als Kunst
by Kristin Schmidt
Das Kunstmuseum Liechtenstein ist in der besonderen Situation einen sehr intimen Blick auf die Schweiz liefern zu können, der durch die Ländergrenze dennoch von Abstand geprägt ist. Mit „Beispiel Schweiz“ werden insbesondere die Raumkonzepte in der Kunst des Nachbarlandes untersucht.
Sind länderspezifische Ausstellungen in Zeiten der Globalisierung nicht längst obsolet? Wenn damit nationale Eigenheiten zementiert werden sollen, mag dies stimmen. In der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein geht es jedoch nicht um Abgrenzung. Sie fokussiert vielmehr den schweizerischen Beitrag zu einem internationalen Phänomen, dessen Anfänge bereits im frühen 20. Jahrhundert liegen und das seit den 1960er Jahren ganz wesentlich die Kunst veränderte: der Umgang mit Raum. Künstler sehen den Betrachter nicht mehr als passiven Gegenüber, sondern wollen ihn mit ihren Werken in Bewegung setzen, ihn auffordern Kunst aktiv wahrzunehmen und zu erleben. Oft wurden eigens dafür Orte geschaffen, die Grenzen von Skulptur oder Malerei ausgeweitet oder ganz aufgelöst. Beispiel Adrian Schiess: Seine Ensembles bemalter und mit Fotografien bedruckter Platten vermitteln horizontal ausgelegt das Erlebnis von Farbe, Raum und Licht – und Landschaft. Denn die ringsum präsentierten Landschaftsgemälde Hans Emmeneggers (1866–1940) gehen eine so intensive visuelle Verbindung mit den Werken Schiess´ ein, dass sich eine solche Assoziation geradezu aufdrängt. Andersherum lässt Schiess die Modernität der Emmenegerschen Werke hervortreten, die Farbfelder fangen an, sich zu verselbständigen.
Dies ist nur ein Beispiel für die in der Ausstellung inszenierten Dialoge. Im Kontrast dazu stehen eigens geschaffene Räume für Installationen von Miriam Cahn und Karim Noureldin. Hierin wird der Betrachter ganz vereinnahmt von der zeichnerischen Obsession beider Künstler. Andere wie Helmut Federle, Silvia Bächli oder Niele Toroni sind mit mehreren Werken oder Werkgruppen vertreten, was ebenfalls für Zonen intensiver Auseinandersetzung sorgt. Demgegenüber stehen prominent platzierte Einzelwerke wie jenes von Karin Hueber. Die Basler Künstlerin faltete ein grossformatiges Papier zu einem Körper und entfaltete es wieder in die Fläche. Das untersuchte Volumen entspricht dem minimal benötigten Lebensraum des Menschen. Hier wird Raum aus praktisch, pragmatischer Sicht thematisiert und in eine reduzierte Form transferiert.
Dies alles ist nun keinesfalls typisch schweizerisch, doch so wollen Friedemann Malsch und Roman Kurzmeyer ihre Ausstellung auch nicht verstanden wissen. Sie entwickeln vielmehr eine geografisch lokalisierbare Erzählung aus einem grösseren Kontext heraus. Und so liesse sich aus der besonderen Vaduzer Sicht noch so manch anderes europäische Kapitel hinzufügen.