Vaduz : Matti Braun
by Kristin Schmidt
Kola, Urfa, Fukuoka, Bali, Ahmedabad – hinter jeder Arbeit Matti Brauns steht ein spezifischer Ort und seine Verbindungen zu anderen Orten und Ländern der Welt. Was bisher nur in Einzelausschnitten zu sehen war, zeigt das Kunstmuseum Liechtenstein nun erstmals in einer gross angelegten Zusammenschau.
Netz, Geflecht, Rhizom sind häufig verwendete Begriffe, gilt es, das Werk Matti Brauns zu charakterisieren. Und tatsächlich ist es immer wieder verblüffend, welche Verknüpfungen zwischen verschiedenen Kulturen der Künstler ausgräbt und visualisiert. Er taucht an einem Ort tief in die Geschichte, die Gesellschaft und das Wirken ihrer Protagonisten ein und findet von da aus Wege mit unzähligen Verzweigungen, von denen jede einzelne eine Entdeckung ist. «Lota» zum Beispiel: Der Titel der Arbeit verweist auf ein kleines Alltagsgefäss in Südasien, dessen Ästhetik auch Charles und Ray Eames nicht verborgen blieb. In der Folge ihres Indienbesuches wurde dort die erste Designhochschule Asiens gegründet, auf Initiative einer Industriellenfamilie, bei der wiederum Geistesgrössen wie Rabindranath Tagore oder Jawaharlal Nehru zu Gast waren und aus der Vikram Sarabhai, Vater des indischen Raumfahrtprogramms, stammt. Schon steckt der Betrachter zweier wandfüllender, geometrisch bemalter Stoffe und einer Sichtbetonskulptur inmitten eines vielfältigen Bezugssystems.
Matti Braun benötigt keine grossen Worte oder Gesten, um Gedanken und Erzählungen anzuregen, lieber lässt er die wenigen Dinge, die er auswählt, selbst sprechen. Mal sind es kleine Irritationen, die den Prozess anregen, mal ist es die Anordnung der Objekte oder ihre Wiederholung. Dies funktioniert zum einen, weil Brauns Setzungen äusserst präzise und oft geradezu sparsam angelegt sind, und zum anderen, weil sie auf subtile Weise poetisch wirken. Etwa jener stille, kleine Raum mit einem Messingfussboden, der einen mit einem warmen, goldenen Schein umfängt und sanft dem Alltag enthebt. Die Schmetterlingspräparate und Batiken an den Wänden tragen das ihre dazu bei und verweisen zugleich auf kolonialistische Aneignungen. Dass der Titel der Arbeit, «Atol», rückwärts gelesen Lota ergibt, ist bei Matti Braun wohl kaum Zufall, denn die Arbeiten, denen jeweils ein eigener Raum zugedacht ist, greifen oft auch inhaltlich ineinander über. Wem dies alles an Vernetzungen und Verflechtungen noch nicht genügt, der findet bei seinem Rundgang selbst weitere Bezüge, wenn er die gezeigten Werke aus der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein in seine Betrachtungen einbezieht. Die Präsentation in einem eigenen Saal integriert sich mühelos in die Ausstellung, was umso weniger verwundert, als sie von Matti Braun selbst mitgestaltet wurde.