Machen oder machen lassen
by Kristin Schmidt
Mit «So machen wir es» zeigt das Kunsthaus Bregenz Werke, die sich mit den Themen der zeitgenössischen Lebenswelt auseinandersetzen – von Andy Warhol bis zur jungen Kunst.
Kunst entsteht aus Kunst. Oder aus Alltagsdingen. Letzteres gilt insbesondere, seit die Kubisten die ersten Collageelemente in ihre Bilder integrierten. Kurz darauf kannten die Dadaisten keine Grenzen mehr, wenn es darum ging, Fragmente des realen Lebens in die Kunst zu überführen. Von Duchamps legendärer «Fountain» bis hin zu Max Ernsts verwandelten Romanillustrationen oder Kurt Schwitters‘ Merzbildern mit allerlei Zeitungs- und sonstigen Schnipseln – das Spektrum ist breit und es hat nachfolgenden Künstlergenerationen ein riesiges Aktionsfeld eröffnet.
Nicht zu jeder Zeit zeigten Künstler das gleiche intensive Interesse an Versatzstücken aus der Realität, aber immer wieder kumuliert es. Ein Höhepunkt liegt in der Zeit der Pop Art. Hier setzt die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Bregenz ein.
Andy Warhol dient als anschauliches und bestens bekanntes Beispiel dafür, wie Populärkultur und Gesellschaft mit eben jenen reproduktiven Mitteln ins Bild gesetzt werden, mit denen sie auch ausserhalb der Kunst verhandelt werden. Viermal Elvis, 36 Freiheitsstatuen – Warhol machte den Siebdruck, die Wiederholung und die verfahrensbedingte Fehlstelle kunsttauglich. Eine der wesentlichen Fragen von «So machen wir es» ist denn auch jene nach der Technik und ihren Folgen: Wie wirkt sich aus, ob ein Kunstwerk gemalt, in Holz gehauen oder aus Fundstücken zusammengetragen wurde? Die Frage nach der Originalität ist dabei längst obsolet. Spannender ist es, das Wechselspiel zwischen Handgefertigtem und Industrieware zu untersuchen, und zwischen eigenen und vorgefertigten Bildern.
Warhol nutzt immer wieder den hohen Wiedererkennungswert der Vorlagen. Bereits bei ihm fällt auf, was für viele spätere Arbeiten gilt: Die gute Typographie einer Anzeige, der Zeichencharakter einer Abbildung, der Symbolwert eines Motivs, die ja alle bereits das Produkt eines kreativen Prozesses sind, bieten eine ebenso anregende wie stabile Basis für die künstlerische Inbesitznahme. Wenn etwa Kelley Walker die Anzeigenserie eines weltweit bekannten Automobilherstellers durchlöchert, funktioniert dies nur, weil sie stets erkennbar bleibt.
Besonders spannend werden die Aneignungen dann, wenn es vielschichtige Überlagerungen gibt. Richard Princes Cowboyserie etwa, von der ein Teil auch auf den Billboards im Bregenzer Stadtraum zu sehen ist, widmet sich nicht einfach der Ästhetik der Zigarettenwerbung. Wichtiger noch ist die reflektierte Übertragung perfekt inszenierter, einen Mythos begründender Bilder in die Kunst. Das Ganze funktioniert aber auch andersherum: Kunst wird für Werbung adaptiert, und dies ist wieder interessant für die Künstler. Martha Roslers Serie «Bringing the War Home: House Beautiful» konfrontiert «Schöner Wohnen»-Interieurs mit Vietnamkriegsbildern. Die im bürgerlichen Wohnraum gezähmte Avantgarde gerät durch die Ausblicke auf grauenvolle Szenen wieder in Aufruhr. Doch nicht nur solche Klassiker sind es, denen das Augenmerk der Ausstellung gilt. Auch die junge Szene nimmt die vielfältigen Angebote der Konsumindustrie auf. Simon Denny, Tobias Kaspar oder Danh Vo integrieren Filmwelt, Prominente und Markennamen in ihre Kunst. Sie dienen ihnen als Anregungen für geistreiche, eigenständige Aussagen. Da die Angebote in der Medienwelt sich multiplizieren, darf mit so mancher künstlerischen Neuinterpretation und Anverwandlung gerechnet werden.
Mutationen anderer Art sind im Erdgeschoss des Kunsthauses Bregenz zu sehen. Im Rahmen der KUB Arena sind hier zwei der prominentesten Vertreter der städtebaulichen Avantgarde der 1960er-Jahre dialogisch präsentiert. Der Franzose Yona Friedman und der Bregenzer Eckhard Schulze-Fielitz entwickelten visionäre Lösungsansätze für Probleme des Städtebaus. Grundlegende Idee ist es, flexible Strukturen vorzugeben, in denen die künftigen Bewohner ihre Umwelt nach eigenem Ermessen gestalten können.
Aufschlussreich ist die Präsentation eines Archivs mit Schneckenhäusern, Muscheln, Kristallen und Kiefernzapfen neben Schulze-Fielitz‘ Modellen. Verwandelt in einen geometrischen Nukleus, bilden die organischen Formen den Ausgangspunkt der Raumstadtentwürfe. Das Modulsystem ist auch der Kern der Arbeiten Yona Friedmans. Längst haben seine Ideen zur Selbstorganisation und deren Visualisierung Kunststatus. Und so weist auch seine Proteinic Structure – Space Chain (2010) weit über das Modell hinaus. Die fragile raumgreifende Plastik mit integrierten Fotografien ist ein eindrückliches Bild für Friedmans Gespür für Individualität und das menschliche Mass.